infans – ein KITA-Bildungsprogramm made by DDR
Vor einigen Jahren kam plötzlich ein Superbildungsprogramm für KITAs heraus. Das Zauberwort INFANS machte die Runde und sollte super Ergebnisse in Sachen Bildung bringen.
In der Werbung heisst es: „Das infans-Konzept der Frühpädagogik bietet einen Handlungsrahmen für die pädagogischen Fachkräfte im Elementarbereich, der inzwischen in über 1.500 Kindertageseinrichtungen – in Baden-Württemberg, Brandenburg und der deutschsprachigen Schweiz – zur Grundlage der pädagogischen Arbeit geworden ist. Erste wissenschaftliche Untersuchungen belegen die positiven Effekte des Konzepts sowohl für die Qualität der Arbeit als auch für die Entwicklung der Kinder.“
Also hat man sich in modernen Kindergärten das Programm besorgt. Im Vorwort stand damals noch das dieses Bildungsprogramm auf den pädagogischen Erfahrungen der Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg basiert.
Als der Erfinder kam ein Westberliner namens Hans-Joachim Laewen zum Gespräch. Man fragte ihn u.a. wie er denn zu diesem Programm gekommen sei? Die Anwort die er damals gab erstaunte u.a. eine Kindergärtnerin aus dem Osten die 2001 im Westen tätig war:
„Er hätte eine Ostberliner Schwiegermutter, die seit über 30 Jahren eine KITA in Ostberlin leitet. Diese hatte ihm mit den Grundlagen der Kindergartenausbildung der DDR bekannt gemacht.„
Mit anderen Worten, das Programm Infans basiert auf die Vorschulbildung der DDR. Natürlich gab es inzwischen Weiterentwicklungen, aber es ist traurig, das die „Erfinder“ bewusst unterschlagen, woher sie denn die wesendlichen Grundlagen haben.
Aber auch die Ergebnisse bei denen 1989-1991 Vorschulkinder im Osten einschliesslich Ostberlin dramatisch besser abschnitten als gleichaltrige Vorschulkinder im Westen einschl. Westberlin, wurden der Öffentlichkeit bewusst unterschlagen. Stattdessen erschienen in der PLÖT und ähnlicher Springerpresse tagtäglich neue Horrormeldungen über den angeblich desolaten Zustand der DDR einschliesslich dessen Bildungswesen, wobei auch tüchtig über Kindergärten hergezogen wurden.
Noch dramatischer ist hingegen das Kindergärtnerinnen die das einheitliche 3-jährige und extrem hochwertige Ausbildungsprogramm der DDR sogar noch in dern 80igern absolviert hatten, im Westen massiv von Eltern abgelehnt wurden, die meinten, die Ossis würden ihre Vorschulkinder „drillen“.
Heute behauptet das Infans-Programm auf seiner Homepage:
„infans wurde 1988 von dem Soziologen Hans-Joachim Laewen und der Erziehungswissenschaftlerin Beate Andres gemeinsam mit einer Gruppe von ehemaligen wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Absolventinnen des Arbeitsbereichs Kleinkindpädagogik der Freien Universität Berlin gegründet.“
Zur Entstehungsgeschichteschreibt man heute:
Das Konzept stützt sich auf die Ergebnisse [1] des Bundesmodellprojekts „Zum Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen“ [2] und wurde von infans im Jahr 2001 unter Berücksichtigung der Forschungslage (Pädagogik, Entwicklungspsychologie, Neurowissenschaften) in einem ersten Entwurf fertig gestellt. Der Minister für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg stellte den Entwurf im April 2002 auf einer Veranstaltung an der Universität Potsdam der Fachöffentlichkeit vor und leitete zugleich die Phase der Praxiserprobung des Konzepts ein.
In den Jahren bis 2005 wurde das Konzept in 68 Kindertageseinrichtungen auf seine Praxisfähigkeit erprobt, wobei jeweils etwa die Hälfte der Einrichtungen in Baden-Württemberg und Brandenburg lagen. Kooperationspartner in Baden-Württemberg waren die beiden Landesjugendämter und eine Reihe von Städten (Böblingen, Freiburg, Heilbronn, Konstanz, Rastatt, Stuttgart, Ulm). Nach Abschluss der Erprobungsphase Ende 2005 wurden die Ergebnisse im Rahmen von drei großen Fachtagungen mit insgesamt über 2000 Teilnehmern der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) veröffentlichte das in der Praxiserprobung modifizierte Konzept in einer wegen der großen Nachfrage mehrfach nachgedruckten Auflage von insgesamt mehr als 20.000 Exemplaren (inzwischen vergriffen). Zugleich erschien die Konzeptfassung als Loseblattsammlung im Verlag „das netz“ (Andres, Laewen 2005)
Seit dem ist das Konzept in über 1500 Kindertageseinrichtungen zur Grundlage der pädagogischen Arbeit geworden. 2009/2010 wurde es in Kooperation mit der Schweizer Trägerverein „bildungskrippen.ch“ in der deutschsprachigen Schweiz an die dortigen Bedingungen angepasst. Zur Zeit laufen in Bern und Zürich Projekte zur Einführung des Konzepts in den kommunalen Einrichtungen. Eine überarbeitete Fassung des infans-Konzepts ist im Oktober 2011 im Verlag das netz erschienen. Grundlage dafür ist eine kontinuierliche Entwicklungsarbeit durch infans, in die Erfahrungen aus der Praxis ebenso wie neuere Forschungsdaten eingegangen sind.
[1] Laewen, H.-J., Andres, B. (Hrsg.): Bildung und Erziehung in der frühen Kindheit. Bausteine zum Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen. Berlin, Düsseldorf, Mannheim. Cornelsen Verlag 2007a. 1. Auflage 2002
Laewen, H.-J, Andres, B. (Hrsg.): Forscher, Künstler, Konstrukteure. Werkstattbuch zum Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen. Berlin, Düsseldorf, Mannheim. Cornelsen Verlag 2007b. 1. Auflage 2002
[2] Das infans-Projekt lief von 1997 bis 2000 und wurde gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg, das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Schleswig-Holstein und das Sächsische Staatsministerium für Soziales, Gesundheit und Familie
Forschungsdaten zum infans-Konzept
Leider ist es bisher nicht gelungen, die zuständigen Ministerien bzw. die großen Stiftungen dazu zu bewegen, eine überregionale vergleichende Untersuchung der Effekte der verschiedenen vorliegenden Konzepte auf die Kinder zu finanzieren. Deshalb liegen bislang nur die Ergebnisse kleinerer Untersuchungen vor. Dazu gehört die Studie der Gruppe um Wolfgang Tietze an der Freien Universität Berlin, in der infans-Einrichtungen im Vergleich mit 80 anderen Kitas einen um 2 Punkte höheren (und hochsignifikanten) Qualitätsstandard zeigten (Tietze et al. ohne Jahresangabe).
Eltern, Lehrerinnen und Hortleiter bewerten die Arbeit mit dem Konzept als gute Schulvorbereitung. Es komme den neuen Bildungsplänen und der angestrebten Öffnung für neue Unterrichtsformen entgegen. Wünschenswert sei es, dass alle Kinder eine solche Bildungseinrichtung durchlaufen und die Schule mit ähnlichen Erfahrungen beginnen.“ (Stadt Stuttgart 2005, S. 30)
Seit April 2011 liegen die Ergebnisse einer Untersuchung vor, die educert (Gruppe von Prof. Tietze) im Auftrag der Stadt Stuttgart durrchgeführt hat. Die infans-Kitas schneiden signifikant besser ab als die Kitas, die mit den „Bildungs- und Lerngeschichten“ arbeiten.
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