Seit dem 14. Oktober 1990 verschwanden 1990 in der DDR 60 Tonnen Goldreserven der DDR, dazu sämtliche Auslandsdevisen. Dazu kommen noch 10 Mrd. DM auf der BIZ, denn dort wurde der Straußkredit zur Liquidität der DDR angelegt, um zu beweisen das die DDR sogar bei Klassenfeind Kredite aufnehmen kann. Angerührt wurde der nie und wuchs stattdessen im Laufe der Jahre auf 10 Mrd. DM an.
All dies wurde am 14. Oktober 1990 ordnungsgemäss auf Weisung des Bundesinnenministers Schäuble an die Zentralbank der BRD gesandt und kam da nie an. Genauer gesagt tauchte es nie wieder auf.
Unmittelbar darauf schwamm die CDU 1991 förmlich in Geld, woher kam das?
Kurz darauf verhandelte Kohl mit dem hessischen Konzern Kali und Salz (heute K+S AG im Besitz der BASF) über die Ostdeutsche Kali AG (MDK) (sie CDU Spendenaffaire), denn die finanzierte seit Jahren seinen Aufstieg zur Macht.
Er vermutet, daß das Geld von K+S aus Hessen oder dessen Mutterkonzern BASF kam, da es kurz nach dem Vertragsabschluß geflossen sei. Die Summe, so Weber, sei im Abschlußbericht des Untersuchungsausschusses für den Spendenskandal dokumentiert. Der BASF-Hauptsitz liegt im einstigen Wahlkreis Helmut Kohls. Außerdem hatte der spätere Altkanzler als Referent beim Landesverband der chemischen Industrie in Rheinland-Pfalz fungiert.
Damals verfügt die westdeutsche Kali + Salz AG im Inland über einen Marktanteil von rund achtzig Prozent, mit der Ostdeutschen Kali AG besaß sie das Marktmonopol über das Kali.
Als Streitpunkt bleibt, wer für die Sicherung der 1993 von K+S aus Hessen stillgelegten Thüringer Kali-Gruben aufkommt, denn die unterirdischen Hohlräume müssen aufwendig verfüllt werden, um etwa Erdrutsche zu verhindern. Dafür überweist Thüringen jeden Monat rund zwei Millionen Euro an den Konzern. Als das Geld alle war, forderten sie weitere 4,6 Mio (inzwischen in) Euro.
Begonnen hatte alles im Jahre 1996 mit einer Durchsuchung der Commerzbank AG in Frankfurt/Main: wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Ergebnis: rund 60.000 (in Worten: sechzigtausend) Ermittlungsverfahren müssen eröffnet und bearbeitet werden. Die rot-grüne Landesregierung stockt die Steuerfahndung Frankfurt auf knapp 100 Mitarbeiter auf. Marco Wehner kommt 1998 dazu.
Steuerfahnder haben eine umfangreiche Ausbildung hinter sich. Sie müssen mit allen Wassern gewaschenen Anwälten, Steuerberatern und Managern Paroli bieten (können). Wenn man seinen Dienst ‚ganz unten’ an der Basis verrichtet, also die eigentliche mühevolle Ermittlungsarbeit machen möchte, halten sich die Karrieremöglichkeiten in engen Grenzen – Steuerfahnder sind Menschen, die ihren Job mit Leib und Seele, konkret: aus Überzeugung machen.
1999 gerät die neu gewählte Landesregierung unter öffentlichen Druck: Die Hessen-CDU muss unter ihrem neuen Chef Roland Koch Parteigelder aus einer dubiosen Liechtenstein-Stiftung („Zaunkönig“) einräumen – es beginnt die so genannte Schwarzgeld-Affäre der CDU. Unter der Ägide Koch, einem Mann der Wirtschaft und insbesondere der Banken, wird 2001 dann jenen Steuerfahndern eine „Amtsverfügung“ im geschlossenen Kuvert überreicht, die an den Bankenermittlungen sitzen. Diese „Amtsverfügung 2001/18“ darf „nicht ins Intranet gestellt“ und auch „nicht in die Registratur aufgenommen werden,“ so die unmissverständliche Dienstanweisung. Es handelt sich um eine Art geheimen Dienstbefehl. Inhalt: Nicht mehr so genau prüfen – das Sieb gröber machen! Bzw. erst ab einem „Transfervolumen“ (z.B. nach Liechtenstein oder Luxemburg) von 250.000 Euro oder einem Einzeltransfer von 150.000 Euro von einem Anfangsverdacht ausgehen! Die Folge: Kleinere Transferstückelungen fallen jetzt durchs Raster.
Die Steuerfahnder remonstrieren, d.h. sie widersprechen. Die Befolgung der „Amtsverfügung“ würde gegen das Gesetz und gegen ihren Beamteneid verstoßen. „Remonstration“ ist hierzulande nicht nur ein Recht, sondern im Beamtengesetz sogar als Pflicht kodifiziert. Allerdings: Entscheidet die Behördenleitung (oder die Politik ganz oben) dennoch anders, muss ein Beamter gehorchen. Weil die hessische Finanzverwaltung auf ihrer Politik besteht, kommt es jetzt zum offenen Konflikt.
Erste Berichte im „SPIEGEL“ erscheinen (z.B. „Amnestie durch die Hintertür“). Die Opposition im Landtag erzwingt einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. U.a. weil ein wichtiger Zeuge ‚gekauft’ wird, der sich an nichts Genaues erinnern kann und auch nicht an das, was er in einer früheren Petition an den Hessischen Landtag selbst mit unterzeichnet hat, geht der Ausschuss aus wie das Hornberger Schießen. Die engagierten Steuerfahnder werden nicht angehört.
Um die vielen ‚widerspenstigen’ Steuerfahnder schachmatt zu setzen, verfolgt die hessische Finanzverwaltung eine differenzierte Strategie. Erst wird die so genannte Bankengruppe aufgelöst, dann trifft es die komplette Steuerfahndungsabteilung, die auf verschiedene Finanzämter verteilt und gleichzeitig verkleinert wird. Einige (genehme) Beamte können dort ihren Dienst verrichten. Den Chef der Bankengruppe, der es gewagt hatte, seine andere Meinung, sprich seine Remonstration dezidiert zu begründen, hatte man gleich zu Beginn zwangsversetzt.
Dem Steueramtmann Wehner bietet man eine so genannte Rückversetzung in ein heimatnahes Finanzamt an – er könne dann jeden Tag knapp 3 Stunden Fahrtzeit sparen. Wehner lehnt ab – er möchte bei der Steuerfahndung bleiben: „Da kann man wenigstens etwas bewegen.“ Doch die wird jetzt „umstrukturiert“, wie es im offiziellen Sprachjargon heißt. Marco Wehner wird ebenfalls versetzt: in ein anderes Sachgebiet.
Dort beginnt jetzt das typische Martyrium eines Whistleblowers. Zunächst flüchtet Wehner in die Elternteilzeit. Wieder im Dienst, wird hinter seinem Rücken getuschelt. Sein Diensttelefon ist nicht mehr freigeschaltet. Niemand nimmt sich Zeit für ihn. Bewerbungen auf andere Stellen laufen ins Leere. Wehner wird krank – Mobbing lähmt Körper und Seele. Erst sind es Schlafstörungen, dann wird es ernster – die Ärzte schreiben ihn krank. Jetzt ist er zu 50% schwerbehindert.
2007 trifft ihn das gleiche Schicksal wie 3 andere Kollegen, die sich aus Gewissensgründen bis zuletzt gegen die Einschränkung ihrer eigentlichen Dienstpflichten wehren: Marco Wehner wird psychiatrisiert. Der Psychiater im Dienste der Regierung, der später wegen Falschbegutachtung verurteilt wird, erklärt auch Wehner für zeitlebens „dienstunfähig“. Es sei von einer „irreversiblen Chronifizierung auszugehen.“ Diagnose: Er leide „an einer erheblichen Anpassungsstörung“.
2009 ist die hessische Finanzverwaltung endgültig mit ihm fertig: Marco Wehner wird frühpensioniert und entlassen. Marco Wehner ist zu diesem Zeitpunkt 39 Jahre alt.
Die Geschichte der beiden Ex-Steuerfahnder Rudolf SCHMENGER und Frank WEHRHEIM, die am 9. Mai 2009 den Whistleblowerpreis erhalten haben, steht stellvertretend für die anderen ehemaligen Steuerfahnder
1995 : Ein Angestellter der Commerzbank schlägt erst intern Alarm, als er bemerkt, dass wohlhabende Kunden ihre Gelder anonym nach Luxemburg, Gibraltar, in die Schweiz und nach Liechtenstein transferieren, um die neu eingeführte Zinsabschlagssteuer zu umgehen – die Bank gewährt tatkräftige Unterstützung. Weil die Bank das Thema Steuerhinterziehung nicht problematisieren will, geht der Angestellte zur Staatsanwaltschaft, die ihrerseits die Steuerfahndung alarmiert. Ende Februar 1996 dann die Großdurchsuchung, bei der die rund 250 Fahnder mehr als fündig werden: rund 60.000 Verfahren wegen Steuerhinterziehung werden eingeleitet, darunter rund die Hälfte allein in Hessen.
Zu SPD-Zeiten im Hessischen Landtag wird die Steuerfahndung aufgestockt: auf rund 100. Viele davon arbeiten zäh und clever im so genannten Bankenteam. Bundesweit spült diese Kärnerarbeit mehr als 1 Milliarde (in Zahlen: 1.000.000.000) an Steuernachzahlungen in die bundesdeutsche Staatskasse. Die Nachzahlungen der Commerzbank selbst, die – wie sie später schreibt – „unrichtige“ Steuerangaben gemacht hat, betragen mehr als eine Viertel Milliarde Euro.
1999 übernehmen CDU und FDP die Regierungsgewalt in Hessen. Die Christdemokraten haben gleich ein Glaubwürdigkeitsproblem: durch die Recherchen des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL wird bekannt, dass die Hessen-CDU selbst eine eigene Schwarzgeld-Stiftung namens „Zaunkönig“ im liechtensteinischen Vaduz betreibt und Steuerhinterziehung offenbar für ein Kavaliersdelikt hält.
Eineinhalb Jahre später wird den Steuerfahndern des Bankenteams, die immer noch an der Abarbeitung der Commerzbank-Fälle sitzen, eine „Amtsverfügung 2001/18“ überreicht: in einem geschlossenen Umschlag, für jeden Einzelnen aktenkundig in der Personalakte vermerkt, nicht in die offizielle Amtsregistratur aufgenommen und schon garnicht ins behördeninterne Intranet gestellt:
Tenor der neuen politischen Anweisung:
Die Steuerfahnder, die an der Front arbeiten, wissen genau, was das bedeutet: das Sieb wird gröber, immer mehr Steuerhinterzieher fallen da durch. Beziehungsweise aus den Ermittlungen heraus. Insbesondere jene, die ihre Transfers – ähnlich wie bei den illegalen Parteispenden – in kleine Beträge stückeln. Bisher lagen diese Eingreifkriterien bei der Hälfte.
Viele Steuerfahnder betrachten die neue Finanzpolitik als eine Art von Amnestie für Steuersünder. Sie tragen ihre Bedenken dem Amtsvorsteher vor, mehrfach. Der Erste, den die volle Wucht der hessischen Staatsbürokratie trifft, ist der Koordinator des Bankenteams. Er übergibt seine dezidierten Vorbehalte in einer 11seitigen Stellungnahme dem Amtsvorsteher. Tags drauf wird er zum Oberfinanzpräsidenten zitiert. Nochmals tags drauf muss er seinen bisherigen Arbeitsplatz verlassen – man hat ihm eine Stelle in einem anderen Finanzamt zugewiesen. Der Stellvertreter des Finanzministers Karlheinz WEIMAR gibt offen zu, dass diese Versetzung „gute Gründe“ hatte: „Die Art und Weise, in der sich“ der Sachgebietsleiter “ in die Sache eingebracht hat, war dazu geeignet, das beiderseitige Vertrauensverhältnis nachhaltig zu beeinträchtigen.“
Die Geschichte geht weiter wie bei Klaus FÖRSTER. Zunächst: Die dienstlichen Beurteilungen all jener, die Kritik vorgebracht hatten, fallen schlechter aus.
Dann trennen sich die Biografien. Gegen einen werden disziplinarische Ermittlungen eingeleitet. Andere werden ‚nur’ umgesetzt, können ihr jahrelang erworbenes Expertenwissen nicht mehr dem Gemeinwohl zur Verfügung stellen. 48 Fahnder setzen deshalb ein Schreiben an ihren höchsten Dienstherrn auf: Ministerpräsident Roland KOCH. Der Brief wird der Behördenleitung bekannt, bevor er abgeschickt werden kann. Die ersten Kollegen ziehen ihre Unterschrift zurück – die ersten Sanktionsmaßnahmen verfehlen ihre Wirkung nicht.
Der zweite Brief mit nur noch 13 Unterschriften – 7 Steuerfahnder sind zu dieser Zeit nicht mehr bei der Steuerfahndung – wird abgeschickt. Jetzt berichtet DER SPIEGEL unter der Überschrift „Amnestie durch die Hintertür“ , wie auf der einen Seite durch eine „skandalöse Amtsanweisung“ … „wohlhabende Steuerhinterzieher“ geschützt, auf der anderen Seite dagegen „aufmüpfige Beamte“ … „kaltgestellt“ würden. Finanzminister WEIMAR erklärt daraufhin im Parlament, dass “kein Verfahren ohne Sichtung abgeschlossen“ worden wäre. Als DER SPIEGEL mit : „Oase Frankfurt“ nachlegt, dass WEIMAR Fakten verschwiegen und teilweise die “Unwahrheit“ gesagt habe, erzwingt die Opposition einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss.
Der tagt von 2003 bis 2006 fast 3 ganze Jahre lang und endet nach insgesamt 17 Sitzungen, von denen 6 teilweise öffentlich waren – wie so oft – wie das Hornberger Schießen: Was der Parlamentarische Untersuchungsausschuss nicht herausbekommen hatte bzw. nicht herausbekommen wollte .
In der Zwischenzeit haben (nur noch) 6 der ehemaligen Steuerfahnder, die längst nicht mehr ihren ursprünglichen Job ausüben (dürfen), eine Petition an den Hessischen Landtag abgeschickt. Der lehnt mit 1 Stimme Mehrheit das Petitionsbegehren ab.
4 Monate, nachdem der abschließende Bericht des Untersuchungsausschuss mit den Stimmen der Regierungsmehrheit dem Finanzminister und dessen Politik den Rücken stärkt, schaltet die Politik einen Gang höher – es beginnt eine Phase, die man sonst nur aus totalitären Staaten im Umgang mit ihren Kritikern kennt: die Phase der Psychatrisierung der unbotmäßigen Steuerfahnder.
2 der Petenten, de sich in letzter Not an den Hessischen Landtag gewandt haben, werden begutachtet – von einem Nervenarzt. Sie werden alle auf Lebenszeit für “dienstunfähig“ erklärt. Der eine leide z.B. “diagnostisch an einer erheblichen Anpassungsstörung“ , beim anderen sei eine “paranoid-querulatorische Entwicklung“ eingetreten, was auf eine “chronisch verfestigte psychische Erkrankung“ hinauslaufe.
Die hier beispielhaft vier psychatrisierten Ex-Steuerfahnder werden daraufhin alle – auf Steuerzahlers Kosten – zwangspensioniert: im Alter zwischen 35 und 45 Jahren. Der letzte im April 2009.
Die beruflichen Biografien der engagierten, aber gemobbten Ex-Steuerfahnder haben wir im ABC der Ausgegrenzten und der Whistleblower .
Die gesamten Vorgänge von Anfang an und die letztlich auch verschachtelten Zusammenhänge sind zusammengetragen in der Detaillierten Chronologie aller Ereignisse . Für jene, die das alles etwas knapper nachlesen möchten, gibt es eine etwas kürzere Chronologie: 1994-2011 .
Für einen sehr kurzen und kompakten Überblick in Form einer Grafik empfehlen wir auf 1 Blick: Ereignisse >Parlament, Öffentlichkeit & Medien > Folgen .
Was aus dem zweiten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss geworden ist, der sehr lange getagt hatte, u.a. weil die Oppositionsparteien zwischenzeitlich den Hessischen Staatsgerichtshof einschalten mussten, können Sie hier nachlesen: Was der Untersuchungsausschuss nicht klären konnte (bzw. nicht wollte) .
Wenn Sie diese Geschichte direkt aufrufen oder verlinken wollen, können Sie dies unter www.ansTageslicht.de/Steuerfahnder tun.
Wenn Sie wissen wollen, wie es der Frankfurter Rundschau und dem Journalisten Matthias THIEME ergangen ist, als er 2009 begonnen hatte, über den weiteren Fortgang dieser Affäre zu berichten, lesen Sie hier: www.ansTageslicht.de/HessenCDU . Matthias THIEME hat für seine Unerschrockenheit und kontinuierliche Berichterstattung den hessischen Mehheitsmachthabern zum Trotz 2011 von der Stiftung „Freiheit der Presse“ einen „Wächterpreis der Tagespresse“ zugesprochen bekommen.
Die Geschichte eines ganz anderen Steuerfahnders, Werner BORCHARDING aus Münster, der Rechtsbeugung, Strafvereitelung im Amt, Begünstigung und Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat in seinem Finanzamt aufgedeckt und bei der Staatsanwaltschaft angezeigt hat, lesen Sie hier: Steuerhinterziehung im Finanzamt Münster . Der (ebenfalls) zwangspensionierte Steuerfahnder hatte seinerzeit u.a. auch den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten angeschrieben. Auf eine Antwort wartet er bis heute. Der Name des damaligen Ministerpräsidenten, der nicht antworten mochte, aber heute gerne über ausländische Steueroasen wettert und „Unterm Strich“ gerne über eine gerechte Finanz- und Steuerpolitik räsoniert: Ex-Bundesfinanzminister Peer STEINBRÜCK, SPD.
Mehr dazu: ans Tageslicht und wistleblower-net
Detaillierte Chronologie aller Ereignisse: 1991 bis 2011
02.05.1991 | Horst WEYRAUCH, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in Frankfurt/Main, der zu seinen besten Klienten auch die Christlich Demokratische Union (CDU) zählt, erteilt seinem Kollegen Oswald BÜHLER, seines Zeichens „Rechtsagent“ in Mauren im Fürstentum Liechtenstein, den Auftrag, mit 30.000 Schweizer Franken bei der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA) in Zürich ein Konto als Treuhänder zu eröffnen, dessen tatsächlicher Inhaber die zu gründende CARPA-Stiftung sein soll. Als so genannte Domizilstelle bzw. „Repräsentant“ für diese Transaktion fungiert die „Intromex Treuunternehmen“ in Mauren. Die Begünstigten, die offiziell nicht in Erscheinung treten wollen:
„Es soll keine Post zugestellt werden“, ergänzt Horst WEYRAUCH in diesem Schreiben. |
1993 | Die CDU/CSU-FDP-Koalition in Bonn führt zum 1. Januar eine Zinsabschlagssteuer ein. Dies war notwendig geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe 1991 den Gesetzgeber unmissverständlich aufgefordert hatte, eine mit dem Grundgesetz und insbesondere mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbare Regelung zu schaffen – Steuerpflichtige, die Einkünfte aus Kapitaleinkommen hatten, sahen bis dahin keinen großen Anreiz, diese in ihrer Steuererklärung anzugeben, z.B. dann, wenn diese in Form von so genannten Tafelgeschäften abgewickelt wurden: anonym. Oder wenn die zinsbringenden Kapitalgelder in Steueroasen verschoben wurden, z.B. ins Fürstentum Liechtenstein. Der Deutsche Juristentag, ein hehres Gremium von Richtern, Staatsanwälten und Rechtsgelehrten, bezeichnete deshalb die bisherige Steuerregelung als eine „Dummensteuer“ bzw. als „Sonderabgabe für Steuerehrliche“ |
13.05.1993 | In der liechtensteinischen Hauptstadt Vaduz wird die „Zaunkönig-Stiftung“ gegründet. Als „Stifterin“ und „Gründerin „fungiert die INDUSTRIE- & FINANZKONTOR ETABLISSEMENT, Vaduz. „Einziger Begünstigter der Stiftung ist der Landesverband der Christlich Demokratischen Union Hessen (Hessen-CDU)“, heißt es in den Statuten. Und: Dieses „Beistatut wird nur in zwei Exemplaren errichtet. Eines liegt am Sitz der Stiftung in Vaduz, das andere in einem Safe der Beiräte. Kopien dürfen nicht gemacht werden.“ Eine Kopie dieses Beistatuts sowie die Aufstellung der Barabhebungen in den Jahren 1993 bis 1999, insgesamt 9.885.365,31 können Sie hier unter „Konto Zaunkönig“ nachlesen |
1994 | Werner DEMANT, Mitarbeiter in der „Effektenkasse“ bei der Commerzbank in Frankfurt/Main wundert sich, dass immer mehr Wertpapiere und Anlagegelder auf anonyme Konten bei den Commerzbankfilialen in Luxemburg und in der Schweiz transferiert werden – nur eine Referenznummer wird dabei notiert. Er informiert seinen Vorgesetzten, den zuständigen Abteilungsleiter und macht ihn darauf aufmerksam, dass es dabei ganz schnell zu Steuerhinterziehung kommen kann, wenn die Bankkunden diese Kapitaleinkünfte jetzt aus dem Ausland im Inland nicht versteuern (wollen). Auffällig: normalerweise verlangt die Bank für solche Dienste Gebühren. Hier geschieht das alles kostenfrei. Dienst am Kunden? Oder Beihilfe zur Steuerhinterziehung? „Das geht Sie nichts an“, lautet die Antwort. Da die Bank intern an einer Prüfung nicht interessiert ist, geht DEMANT 1995 zur Staatsanwaltschaft. Die wird ausgesprochen hellhörig, weil es bereits eine ganze Reihe anderer Hinweise – auch zu anderen Banken – gibt, dass immer mehr Steuerpflichtige ihre Geldvermögen ins Ausland transferieren, um die Zinsabschlagssteuer zu umgehen. Ein klarer Fall von Steuerbetrug |
27.02.1996 | Staatsanwaltschaft, Polizei und Beamte der Abteilung Steuerfahndung aus dem „Finanzamt Frankfurt/M V“ durchsuchen die Geschäftsräume der Commerzbank in Frankfurt/Main. Sie werden fündig und beschlagnahmen umfangreiches potenzielles Beweismaterial. In der Abteilung Steuerfahndung des Finanzamts wird daraufhin ein „Banken-Team“ zusammengestellt, in dem Beamte aus mehreren Sachgebieten arbeiten bzw. zusammen gezogen werden. Die sind nun mit der Aufgabe betraut, in rund 60.000 Fällen Konkretes zu ermitteln – so groß wird die Zahl der ermittelten Fälle nur bei der Commerzbank sein Die Commerzbank wird wenig später ‚freiwillig‘ ihre bisherigen Jahresabschlüsse als „korrekturbedürftig“ erklären, in die sich „Unrichtigkeiten“ eingeschlichen hätten. Letztlich wird die Großbank rund 200 Mio Euro an Steuern nachzahlen (müssen) sowie 60 Mio an Verzugszinsen. Die Nachzahlungen ihrer steuerhinterziehenden Kunden sind darin nicht enthalten. |
1996 | Die Illustrierte stern veröffentlicht in ihrer Ausgabe Nr. 48 eine kleine Geschichte über Werner DEMANT: „Ärger mit dem ‚Maulwurf‘: Ein Mitarbeiter hat der Steuerfahndung gute Tipps gegeben – jetzt ist sein Job in Gefahr“. Die Commerzbank klagt auf Kündigung vor dem Arbeitsgericht. DEMANT hat Glück: ihm kommt ein Urteil eines anderen Gerichts zu Hilfe, in dem die Richter einen Fall von Steuerhinterziehung klar als solchen auch benannt haben: „sittenwidrig“. Jetzt ist gerichtskundig, wie das Verhalten der Commerzbank einzuschätzen ist. Wegen einer Anzeige „sittenwidrigen Verhaltens“ kann die Commerzbank ihren unbotmäßigen Maulwurf nicht kündigen. Sie bietet DEMANT einen akzeptablen finanziellen Vergleich (Vorruhestandsregelung) an |
20.10.1997 | Im „Finanzamt Frankfurt/Main V“, in dem auch das so genannte Banken-Team arbeitet, ziehen nicht alle Beamte an einem Strang. DER SPIEGEL berichtet unter der Überschrift Panne bei der Fahndung , dass ein Oberamtsrat aus der Steuerfahndung u.a. die Sparkasse Hanau von bevorstehenden Ermittlungen gegen einige ihrer Konteninhabern in Kenntnis gesetzt hatte. Die Sparkasse konnte daraufin ihre Kunden warnen und ihnen eine Selbstanzeige empfehlen. Bei so genannten Selbstanzeigen müssen die hinterzogenen Steuern nachgezahlt werden, aber es entfällt die Strafe |
1998 | Bei der Bundestagswahl verliert die CDU unter ihrem Kanzler Helmut KOHL erheblich an Stimmen und Wählervertrauen. Auf Bundesebene etabliert sich die erste rot-grüne Bundesregierung. Das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL möchte über die vielen Großverfahren wegen Steuerhinterziehung ausführlich berichten und fragt bei der hessischen Finanzverwaltung um eine Genehmigung für Interviews und Besichtigungen im Finanzamt Frankfurt/Main V, insbesondere bei den Steuerfahndern und dem Bankenteam nach. Sie wird erteilt. DER SPIEGEL hat Gelegenheit, nicht nur den Steuerfahnder Frank WEHRHEIM und andere zu interviewen und zu fotografieren, sondern sich auch anderweilig um Informationen und Kontaktmöglichkeiten – auch für die Zukunft – zu kümmern. „Wir wollen Geld und Täter“ lautet die Überschrift:
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1999 | In diesem Jahr werden die Weichen für mehrere Entwicklungen gestellt:
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Donnerstag, 13.01.2000 bis Montag, 17.01.2000 |
Auch DER SPIEGEL recherchiert. Er entdeckt, dass auch die Hessen-CDU Geld in Millionenhöhe im Ausland gebunkert hat: Die Millionen stammen auch nicht aus Vermächtnissen jüdischer Emigranten nach Paraguay, wie die CDU behauptet, sondern stellen Schwarzgeld dar, geparkt in einer Liechtensteiner Stiftung. Der Redakteur spricht den Chef der hessischen Staatskanzlei, Franz Josef JUNG (heute Bunderverteidigungsminister), am Donnerstag abend darauf hin an. JUNG kann sich so etwas garnicht vorstellen. Noch am selben Abend bricht in der Hessen-CDU Panik aus: KOCH trommelt seine wichtigsten Vertrauten zusammen. Man entscheidet sich für die Flucht nach vorn, bevor die Medien das enthüllen. Tags drauf halten KOCH sowie der frühere CDU-Landeschef Manfred KANTHER eine eilends anberaumte Pressekonferenz ab:
DER SPIEGEL veröffentlicht seine Geschichte am Montag: Die Lügengebäude der CDU: „Mal sehn, wer übrig bleibt“ |
09.05.2000 | Die Oberfinanzdirektion (OFD) Frankfurt drückt in einem Schreiben den Beamten des Bankenteams ihre Anerkennung aus und beabsichtigt, das „ausgezeichnete Ergebnis“ dem hessischen Finanzminister darzustellen |
22.05.2000 | Das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL veröffentlicht eine Titelstory über Steuerhinterziehung und die Rolle des Fürstentums Liechtenstein: „Es ist ein Spinnennetz“ . Der Redaktion war anonym eine CD-ROM zugespielt worden, auf der die Daten von Konten vieler Steuerhinterzieher gelistet sind. Diese CD landet – ebenfalls anonym – auch bei der Steuerfahndung in Düsseldorf. Diese wiederum lässt sie der Staatsanwaltschaft Bochum zukommen, die sich schon lange schwerpunktmäßig mit den Problemen Steuerhinterziehung und Liechtenstein beschäftigt. Dies betrifft vor allem die Staatsanwältin Margrit LICHTINGHAGEN, die 2008 bundesweit bekannt werden wird, wenn der ehemalige Post-Chef und Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Telekom AG, Klaus ZUMWINKEL, wegen Steuerhinterziehung verhaftet werden wird. LICHTINGHAGEN hatte vor ihrer Staatsanwaltstätigkeit selbst mal bei einer Steuerfahndungsabteilung gearbeitet |
26.05.2000 | Bei einer Dienstbesprechung in der Steuerfahndungsstelle (Steufa) des Finanzamts Frankfurt/Main V wird das Bankenteam erneut für die effiziente Arbeit gelobt |
06.02.2001 | Im Finanzamt Frankfurt/Main V ziehen nicht alle Beamte an einem Strang. Im Bankenteam, das der operativen Ermittlungsarbeit nachgeht und deshalb in der Verwaltungshierarchie unten steht, arbeiten engagierte und hochmotivierte Menschen. Weiter ‚oben‘ werden die operativen Arbeiten vor allem verwaltet. Der Bundesfinanzhof, den ein Steuerhinterzieher in letzter Instanz angerufen hat, entscheidet zugunsten des Steuerhinterziehers. Begründung: als der berichterstattende Richter den beim Finanzamt Frankfurt/Main V tätigen Hauptsachgebietsleiter der Steuerfahndung schriftlich um detailliertere Informationen angefragt habe, „worum es den Beteiligten in diesem Verfahren im Kern überhaupt geht, hat das Finanzamt zum wichtigsten Punkt des Antrags der Antragstellerin nicht Stellung bezogen.“ Folge: „Ein solchermaßen widersprüchliches und befremdliches Prozessverhalten geht zu Lasten des Finanzamts.“ |
Von der „Amtsverfügung“ über die „Neustrukturierung“ bis hin zu den ersten „Abordnungen“ (Zwangsversetzungen)
29.03.2001 | In einem Bericht des Finanzamts Frankfurt/Main V an die OFD und das hessische Finanzministerium wird darauf hingewiesen, dass die Arbeitslage bei der Steufa einen nicht mehr vertretbaren personellen Engpass erreicht hat. Zwar wurde das Personal von 47 auf 79 Dienstposten aufgestockt, aber die „Zahl der unerledigten Fälle steigt fortlaufend an.“ Und „fast 2/3 des Personals … wird durch die Bearbeitung von sog. Bankenverfahren gebunden.“ Resümee: „Eine Verteilung des Personals der hessischen Steufa-Stellen nach dem Steueraufkommen als Indikator für das Maß der zu bekämpfenden Steuerkriminalität rechtfertigt eine Verstärkung der Steufa-Stelle des FA Ff V um 13 Dienstposten … für Steuerfahnder, ergänzt um zusätzliche 15 Abordnungen“ , empfiehlt der Vorsteher der Finanzamts, SCHNEIDER-LUDORFF: |
Der Vorschlag verpufft im Hessischen Finanzministerium. Offenbar hat man dort kein Interesse an einer Aufstockung von Personal 30.08.2001
Stattdessen wird den Steuerfahndern eine schriftliche Amtsverfügung mit der Nummer „2001/18“ überreicht: in einem geschlossenen Umschlag. Die Amtsverfügung wird – im Gegensatz zu sonstigen Anweisungen – nicht in die offizielle Amtsregistratur aufgenommen. Und natürlich wird sie auch nicht ins interne Intranet gestellt. Dafür wird jeder der Empfänger einzeln aktenkundig erfasst:
Der Inhalt dieser Amtsanweisung besagt, dass ein steuerstrafrechtlicher Anfangsverdacht bei Geldtransfers ins Ausland in der Regel nur noch dann besteht,
Bisher lagen diese Größenordnungen bei rund der Hälfte. Deswegen sollen/dürfen alle niedrigeren Beträge nicht mehr bearbeitet werden. Die absehbare Folge: steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren aufgrund eines „Anfangsverdachts“ können nicht mehr eingeleitet werden, auch wenn Steuerfahnder einen Verdacht auf Steuerhinterziehung bejahen.
Zahlreiche Beamte, darunter auch Ruldof SCHMENGER, wissen, worauf das hinausläuft:
Mehrere staats- und gesetzestreue Beamte machen von ihrem Recht auf „Remonstration“ Gebrauch. Bedeutet: Beamte müssen Weisungen ihrer Vorgesetzten Folge leisten. Auf der anderen Seite müssen sie ihre (von oben herab diktierten) Handlungen auch auf Rechtmäßigkeit hin prüfen. Sieht ein Staatsdiener in einer Weisung eine Rechtswidrigkeit, kann er dagegen schriftlich Einwendung erheben („remonstrieren“). Widerspricht der Vorgesetzte solchen Einlassungen, muss ein Beamter allerdings den Weisungen folgen, es sei denn, er würde sich durch das Befolgen einer solchen Dienstanweisung strafbar machen.
Unabhängig davon: Vorgesetzte sehen es nicht gerne, wenn man ihnen widerspricht. Schon garnicht schriftlich und erst recht nicht im Wege einer Remonstration. Folge in Hessen:
25.10.2001 Die Frankfurter Beamten Rudolf SCHMENGER, Frank WEHRHEIM und Marco WEHNER fahren nach Bochum zur Staatsanwältin Margrit LICHTINGHAGEN. Im Zusammenhang mit den Durchsuchungen und Ermittlungen gegen eine der drei Großbanken bzw. deren steuerhinterziehenden Kunden waren die Bankenteam-Beamten auch auf Material über Liechtenstein gestoßen. Sie erklären sich gegenüber der Staatsanwältin bereit, ihr sozusagen als Hilfsbeamte zuzuarbeiten: mit ihrem Wissen und ihren Unterlagen. Umgekehrt versprechen sich auch die Frankfurter Beamten weiterführende Informationen über ihren eigenen Liechtenstein-Fall, denn die so genannte Batliner-CD, benannt nach dem bekanntesten und prominentesten „Treuhänder“ im Fürstentum Liechtenstein, aus dessen Kanzlei ein Mitarbeiter diese CD-ROM kopiert hatte, enthält Informationen über Steuerhinterzieher aus ganz Deutschland. Die Steuerfahnder möchten die Informationen aus beiden Quellen zusammenführen.
Die Kooperation kommt nicht zustande – die Vorgesetzten im Finanzamt Frankfurt/Main V untersagen den Bankenteam-Beamten diese (gegenseitige) Zusammenarbeit.
„Bei einem Besuch bei der StA Bochum durch AR SCHMENGER gemeinsam mit OAR WEHRHEIM zur Besprechung eines Stiftungfalles, wurden persönliche Absprachen getroffen. Die Belange der Dienststelle wurden – wie sich im nachhinein herausstellte – nicht mit einbezogen“ ,
wird ein Jahr später in einem dienstlichen Vermerk über Amtsrat (AR) SCHMENGER stehen, der zur Einleitung disziplinarischer Ermittlungen dienen soll 31.10.2001 Sechs Tage später erhält Rudolf SCHMENGER seine dienstliche Beurteilung ausgehändigt: sie ist – zum ersten Male – negativ Anfang November Mehrere Steuerfahnder tragen gegenüber dem Finanzamtsvorsteher Jürgen SCHNEIDER-LUDORFF und dem Hauptsachgebietsleiter GEBBERS mehrfach (1.11.; 8.11.; 9.11.) ihre Bedenken gegen die „Amtsverfügung 2001/18“ vor:
Dieser Meinung ist im übrigen auch der beim Landgericht Frankfurt/Main für diese Bankenfälle zuständige Staatsanwalt Markus WEIMANN, der schriftlich fordert, die Aufklärung in vollem Umfang wieder aufzunehmen.
Und auch der Sachgebietsleiter, der als „Bankenkoordinator“ tätig ist und die verschiedenen Verfahren gegen die Großbanken im Überblick behält, setzt sich in einer 11seitigen Stellungnahme kritisch mit dem weiteren Ermittlungsverbot auseinander:
Er übergibt sie dem Finanzamtsvorsteher. Wenige Tage darauf wird der „Bankenkoordinator“ zum Oberfinanzpräsidenten Albrecht PFISTER gebeten. Tags drauf hat der „Bankenkoordinator“ einen neuen Arbeitsplatz: ab sofort ist er jeden Tag eine Stunde länger dorthin unterwegs – man hat ihn nach Darmstadt zwangsversetzt. Der „Bankenkoordinator“ ist der erste, den es mit voller Wucht trifft
03.12.2001 Der Personalrat nimmt sich des Falles des „Bankenkoordinators“ an und schreibt an Minister WEIMAR „persönlich“:
21.02.2002 Für den persönlich angeschriebenen Finanzminister WEIMAR antwortet dessen Staatssekretär Bernd ABELN:
Der Staatssekretär gibt hier offiziell erstmals zu, dass es für die „Abordnung“ an ein anderes Finanzamt aus der Sicht der Verwaltungshierarchie „gute Gründe“ gegeben hatte:
„Die Art und Weise, in der sich“ der Banken-Koordinator „in die Sache eingebracht hat, war dazu geeignet, das beiderseitige Vertrauensverhältnis nachhaltig zu beeinträchtigen. Unter dieser Voraussetzung bestand Grund zu der Annahme, dass die Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Amtsleitung nicht mehr gewährleistet war.“
07.05.2002 Das Finanzamt teilt RA SCHWAMMBORN mit, dass der Finanzamtsvorsteher erkrankt sei und sich daher noch nicht um die Angelegenheit habe kümmern können Mai 2002 Regierungsrätin Frau Dr. von LERSNER löst SCHMENGER’s bisherigen Vorgesetzten ab: jenen Sachgebietsleiter, der als „Bankenkoordinator“ tätig war. Dieser hatte ausführlich gegen die Amtsverfügung „2001/18“ remonstriert: in einem insgesamt 11seitigen Schreiben. Er wundert sich u.a. darüber, dass dies ausgerechnet während einer vierwöchigen Abwesenheit (Urlaub) geschehen sei und hält es für höchst „bedenklich“, dass ausgerechnet jener Sachgebietsleiter, der mit der Koordinierung der Bankenverfahren befaßt war, „über Kenntnisse und Erfahrungen verfügen könnte, die bei Erstellung eines Neukonzepts beachtlich sein können“ , nicht in diese Entscheidung eingebunden war. So gesehen
„bestand und besteht jedenfalls keineswegs ein derartiger Zeit- und Handlungsdruck, dass meine Rückkehr ins Amt nicht hätte abgewartet werden können. Die Entscheidung, über die künftige Bearbeitung aller Bankenverfahren … ist schließlich die wichtigste Entscheidung in den Bankenverfahren innerhalb der letzten Jahre überhaupt!“
Die detaillierte Kritik des Sachgebietsleiters trifft ins Leere – jetzt führt Frau von LERSNER das Kommando als Sachgebietsleiterin und Vorgesetzte von SCHMENGER und seinen Bankenteam-Kollegen 13.08.2002 Im Zusammenhang mit steuerstrafrechtlichen Ermittlungen gegen ein bekanntes Frankfurter Großunternehmen kommt es zu einer Dienstbesprechung. Die Bankenteam-Steuerfahnder raten von einer geplanten Durchsuchung ab, da der Verdacht auf Einkommensteuerhinterziehung nicht bestehe. Außerdem seien die vorgefertigten Durchschungsbeschlüsse inhaltlich nicht korrekt.
Die neue Vorgesetzte bzw. Sachgebietsleiterin Frau von LERSNER besteht auf der Durchsuchung 19.08.2002 Erneute Besprechung wegen der Vollstreckung der geplanten Durchsuchung. Diesesmal mit der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main.
Frau von LERSNER teilt SCHMENGER mit, dass seine Anwesenheit bei dieser Besprechung nicht erwünscht sei. Marco WEHNER, SCHMENGER’s Auszubildender, würde das Verfahren (jetzt) alleine bearbeiten 19.08.2002 Der Finanzamtsvorsteher reagiert formal auf das Schreiben von RA SCHWAMMBORN, SCHMENGER’s Rechtsbeistand. Zugleich bittet er die im Beurteilungszeitraum zuständigen Beamten um Stellungnahmen, darunter SCHMENGER’s ehemaligen Vorgesetzten, den „Bankenkoordinator“, aber auch den Hauptsachgebietsleiter, den Leitenden Regierungsdirektor (LRD) Harald GEBBERS 26.08.2002 LRD Harald GEBBERS, Hauptsachgebietsleiter der Abteilung Steuerfahndung, erhält eine Kopie eines Belobigungsschreibens über SCHMENGER durch die Staatsanwaltschaft 27.08.2002 Trotz aller Einwendungen werden die Durchsuchungsbeschlüsse gegen das bekannte Frankfurter Großunternehmen vollstreckt. Die Anwälte des durchsuchten Unternehmens erklären den Steuerfahndern, dass hinsichtlich der Vermögensteuer bereits die Verjährung eingetreten sei.
Der mit diesem Fall nun allein betraute Bankenteam-Mitarbeiter Marco WEHNER wird von Frau von LERSNER angewiesen, wesentliche Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft gegenüber zu verschweigen. Steuerfahnder agieren immer nur als Hilfsbeamte von Staatsanwälten. Federführend – sowohl bei strafrechtlichen Ermittlungen als auch beim Verfassen der Anklageschrift und Vertretung derselben sind immer die Staatsanwaltschaften.
Auf der anderen Seite muss ein Beamter in der Steuerfahndung den Weisungen seiner Vorgesetzten im Finanzamt Folge leisten 24.09.2002 Regierungsrätin Frau Dr. von LERSNER spricht Amtsrat SCHMENGER wegen eines „Fördergespräches“ an.
Fördergespräche gehören neben dienstlichen Versetzungen und Umorganisieren von ganzen Abteilungen zu den klassischen Sanktionsmaßnahmen, um unliebsame und/oder unbotmäßige Beamte zu reglementieren – kündigen geht ja nicht.
SCHMENGER bezweifelt nach derzeitigem Stand der Dinge den Sinn eines solchen Fördergesprächs und merkt an, dies seinem Rechtsbeistand mitteilen zu wollen 01.10.2002 Frau von LERSNER teilt – nach Rücksprache mit dem Finanzamtsvorsteher – SCHMENGER mit, dass er entweder auf das Fördergespräch verzichten oder allein zum Gespräch erscheinen solle. Sein Rechtsbeistand dürfe hieran nicht teilnehmen 21.10.2002 SCHMENGER erkundigt sich beim Hauptsachgebietsleiter, dem Leitenden Regierungsdirektor (LRD) Harald GEBBERS, der eine Stellungnahme über seinen Widerspruch bzw. seine dienstliche Beurteilung abgeben soll, über den aktuellen Sachstand. GEBBERS teilt mit, er habe noch keine Zeit dazu gehabt, wolle dies aber bis zum 25. Oktober, also innerhalb der nächsten Tage tun Oktober 2002 Vertreter des hessischen Finanzministeriums erklären den zuständigen Sachgebietsleitern der Steuerfahndung, dass die Ermittlungen und Verfahren gegen Banken aufgrund der bereits im August 2001 ergangenen Dienstanweisung „2001/18“ beendet werden sollen und weitere Ermittlungen unerwünscht seien. Alle noch offenen Vorgänge sollten bis Ende des Jahres definitiv abgeschlossen sein 28.10.2002 Frau von LERSNER kritisiert in einem Gespräch mit SCHMENGER, er habe zu viele offene Fälle. SCHMENGER weist dies zurück und bietet seinen Wechsel in ein anderes Sachgebiet an 29.10.2002 SCHMENGER erbittet einen Termin beim Finanzamtsvorsteher und erhält eine Zusage für den 1. November, also in wenigen Tagen. Die Stellungnahme des Hauptsachgebietsleiters, LRD GEBBERS, liegt noch nicht vor.
Ebenfalls an diesem Tag fragt Frau von LERSNER bei SCHMENGER wegen des angebotenen Wechsels in ein anderes Sachgebiet nach und macht einen Termin aus 01.11.2002 Der geplante Termin beim Finanzamtsvorsteher findet nicht statt: der Finanzamtsvorsteher ist nicht anwesend. Neuer Termin soll der 8.11. werden. Die Stellungnahme des LRD GEBBERS über SCHMENGER’s Arbeit liegt noch immer nicht vor 06.11.2002 Regierungsrätin Frau Dr. von LERSNER, SCHMENGER’s Vorgesetzte, ordnet an, dass SCHMENGER’s ehemaliger Kollege, Marco WEHNER, sich nicht mehr mit seinen Kollegen über seine Fälle unterhalten darf. Folge: Wesentliche Ermittlungsergebnisse über den Fall des bekannten Frankfurter Großunternehmes werden der Staatsanwaltschaft vorenthalten und das Strafverfahren gegen den Unternehmer wird vorsätzlich nicht beendet. WEHNER hatte zuvor ebenfalls auf die längst eingetretene Verjährung hingewiesen.
Am selben Tag stellt Frau von LERSNER gegenüber der Behördenleitung des Finanzamts sowie der Oberfinanzdirektion schriftlich die Frage, ob SCHMENGER in der Steufa weiterhin tragbar sei 08.11.2002 SCHMENGER berichtet dem Finanzamtsvorsteher über die bisherigen Vorfälle. Der lehnt einen Wechsel in ein anderes Sachgebiet ab. SCHMENGER will daraufhin den Personalrat, der Finanzamtsvorsteher die OFD (Oberfinanzdirektion) informieren. Außerdem erklärt sich Letzterer bereit, die Schreiben des RA SCHWAMMBORN bald beantworten zu wollen 11.11.2002 SCHMENGER informiert den Personalratsvorsitzenden 12.11.2002
Der Finanzamtsvorsteher SCHNEIDER-LUDORFF schickt ein Fax an die OFD. Betreff:
„AR Rudolf Schmenger – FA V; Widerspruch gegen die Beurteilung für den Zeitraum 01.02.1999 bis 3.01.2001 – Fragen der Dienst- und Fachaufsicht …“ .
In dem Schreiben, das „wegen Eilbedürftigkeit vorab per Fax“ abgesetzt wird, heißt es:
„Die personell schwierige Situation im Bereich der Fpr/innen in der Steufa meines Amtes sind ebenso bekannt wie die schwierige Situation der SGL/in Steufa und des HSGL Steufa hinsichtlich der Durchsetzung ihrer und meiner Dienst- und Fachaufsicht gegenüber den Fpr/innen meines Amtes.
Die Verwaltung muss daher in der Personalangelegenheit Schmenger … eine Lösung finden, die der engagierten und tatkräftigen SGL in Steufa, dem HSGL Steufa und mir als Finanzamtsvorsteher den Rücken stärkt. Außerdem sollten die von einer zu findenden Lösung ausgehenden Signale in den Bereich der Fahnder/innen nicht unterschätzt werden. .
Von diesem Fax und diesem Vorgang wird SCHMENGER erst ein Jahr später erfahren
14.11.2002 Frau von LERSNER fertigt einen 4seitigen Aktenvermerk in Sachen SCHMENGER an. Der Aktenvermerk löst disziplinarrechtliche Vorermittlungen gegen SCHMENGER aus. Davon informiert ihn der Finanzamtsvorsteher wenige Tage später und händigt ihm alles auch schriftlich aus:
15.11.2002 Finanzamtsvorsteher SCHNEIDER-LUDORFF antwortet SCHMENGER’s Rechtsbeistand: es handele sich um eine grundsätzliche Problematik, über die die OFD entscheiden solle. Daher könne er weder Beurteilungsbeiträge noch Stellungnahmen zur Verfügung stellen 25.11.2002 SCHMENGER informiert den stellvertretenden Personalratsvorsitzenden sowie am 2. Dezember auch den Personalratsvorsitzenden selbst Dezember 2002
Januar und
Februar 2003 SCHMENGER soll in ein anderes Finanzamt und einen anderen Arbeitsbereich abgeordnet werden. Er landet schließlich in der Konzernprüfung. Ihm werden ausschließlich Fälle zugeteilt, bei denen das Ergebnis bereits von Anfang an feststeht: es sind keine Mehrsteuern zu realisieren – so genannte Nullfälle.
SCHMENGER fühlt sich in diesem Arbeitsbereich völlig unterfordert – schließlich hat man ihn – neben der regulären Ausbildung – sieben Jahre lang zum Steuerfahnder weiter ausgebildet – so lange dauert es, bevor man als Steuerfahnder eigenständig arbeiten kann.
Vorher bietet man ihm eine halbjährige Fortbildung in einer Betriebsprüfungsstelle an, wonach er anschließend als Sachgebietsleiter ‚getestet‘ werden solle.
SCHMENGER willigt unter der Bedingung ein, dass zuvor das disziplinarrechtliche Vorermittlungsverfahren gegen ihn eingestellt wird. Sein Antrag, weitere Ermittlungen führen zu können, um die Vorwürfe entkräften zu können, wird rundweg abgelehnt 31.03.2003 SCHMENGER landet gegen seinen Willen nun tatsächlich in der Großbetriebs-/Konzernprüfung. In seinem alten Büro wird das Namensschild entfernt, der Netzzugang zu seinen elektronisch gespeicherten Daten gekappt und er darf auch seine bisherigen Ermittlungsverfahren nicht mehr weiter bearbeiten 14.05.2005 Marco WEHNER möchte abermals die Staatsanwaltschaft über die längst eingetretene Verjährung im Fall des Frankfurter Großunternehmens informieren. Dazu muss er seine Dienstvorgesetzte informieren. Regierungsrätin Frau Dr. von LERSNER hindert ihn daran
25.05.2003 | Der Personalrat übergibt – „stellvertretend für alle Beschäftigten des Hauses“ – einen Brief an den Finanzamtsvorsteher: „Es ist viel passiert in der Vergangenheit und wir alle fragen uns, wie es weitergehen soll in unserem Finanzamt …“ |
26.06.2003 | Insgesamt 48 Steuerfahnder aus dem Finanzamt Frankfurt/Main V unterschreiben einen Brief an Ministerpräsident Roland KOCH und Finanzminister Karlheinz WEIMAR. Sie bringen darin ihre Kritik darüber zum Ausdruck, dass sie aufgrund ihrer Arbeitsbedingungen ihren Aufgaben nicht mehr rechtsstaatlich nachkommen können. Sie bitten ihren höchsten Dienstherrn, Ministerpräsident Roland KOCH, sich der Probleme anzunehmen. Die Unterzeichner machen sich im übrigen Sorge um erhebliche Steuerausfälle durch Einschränkungen bei ihrer Ermittlungstätigkeit:
Dieser Brief wird durch eine Indiskretion bekannt, bevor er abgeschickt werden kann. Die Unterzeichner werden daraufhin von ihren Vorgesetzten massiv unter Druck gesetzt: Man habe doch Kinder? Und ist das Häuschen schon abbezahlt? Folge: die meisten ziehen ihre Unterschrift zurück. |
31.07.2003 | Einen Tag vor seinem 25igsten Dienstjubiläum wird Rudolf SCHMENGER mitgeteilt, dass er nicht mehr in die Steuerfahndung zurückkehren könne |
11.08.2003 | Das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL nimmt sich der Sache an und berichtet unter der Überschrift 3 „Amnestie durch die Hintertür“ , wie auf der einen Seite durch eine „skandalöse Amtsanweisung“ … „wohlhabende Steuerhinterzieher“ geschützt, auf der anderen Seite dagegen „aufmüpfige Beamte“ … „kaltgestellt“ würden |
20.08.2003 | Die SPD und die Grünen, beide Opposition im Landtag, erzwingen vom hessischen Finanzminister Karlheinz WEIMAR, Antworten im Haushaltsausschuss zu den Vorwürfen der Steuerfahnder. WEIMAR streitet alles ab und sagt wörtlich.“ Kein Verfahren wurde ohne entsprechende Sichtung abgeschlossen“ |
15.09.2003 | DER SPIEGEL berichtet erneut: „Oase Frankfurt“ : Finanzminister WEIMAR habe in einer Anhörung vor dem Haushaltsausschuss im Hessischen Landtag Fakten verschwiegen und teilweise die „Unwahrheit“ gesagt. Denn immer noch sind viele Verfahren unerledigt und viele können/dürfen nach der fraglichen Amtsanweisung „2001/18“ überhaupt nicht mehr begonnen werden. DER SPIEGEL skizziert dies u.a. an zwei konkreten, aber natürlich anonymisierten Beispielen |
17.09.2003 | Die beiden SPIEGEL -Berichte geben der SPD-Opposition Auftrieb. Sie verlangen einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA), der den Unstimmigkeiten nachgehen soll. Im Gegensatz zu sonstigen Mehrheiten bedarf es zur Einrichtung eines PUA nur einer ‚Mehrheit‘ von 25% aller stimmberechtigten Abgeordneten. Der PUA soll folgende Fragen klären: |
17.10.2003 SCHMENGER erfährt, dass sich in seiner regulären Personalakte auch eine Art Geheimakte befindet, die er bisher nicht einsehen durfte bzw. die er bisher nie zu Gesicht bekommen hatte. In dieser Geheimakte befindet sich auch das Fax des Finanzamtsvorstehers Jürgen SCHNEIDER-LUDORFF an die OFD, in der er eine „Lösung“ in der „Personalangelegenheit Schmenger“ fordert Herbst 2003 Die Auseinandersetzungen seit über zwei Jahren zerren an SCHMENGER’s Gesundheit: psychosomatische Folgewirkungen von permanenter Anstrengung und Stress am Arbeitsplatz – eine typische Folge solcher Situationen. Seine Niere arbeitet zum Schluss nur noch mit halber Kraft – SCHMENGER muss in eine Reha-Klinik und wird für die nächste Zeit krank geschrieben 26.11.2003 Die Staatsanwaltschaft wird, nachdem der Frankfurter Großunternehmer rechtskräftig sanktioniert wurde, erstmalig von der eigentlichen Verjährung in Kenntnis gesetzt.
Regierungsrätin Frau Dr. von LERSNER wurde zwischenzeitlich an ein anderes Finanzamt versetzt: sie hat ihre Sache offenbar gut gemacht und wird befördert: zur Regierungsoberrätin Jahreswechsel
2003/2004 Die Abteilung Steuerfahndung beim Finanzamt Frankfurt/M. V wird aufgelöst. Sie wird auf drei andere Finanzämter verlagert. Diese Neustrukturierung ist ein weiteres Ergebnis der Amtsverfügunge „2001/18“. Neustrukturierungen sind ebenfalls ein probates Mittel, Dinge, die man nicht mehr möchte, zu verändern.
Die kritischen Beamten, die ihre Unterschrift unter dem Brief an Roland KOCH und Karlheinz WEIMAR nicht zurückgezogen hatten, sowie jene, die man für unbotmäßig hält, müssen die Abteilung Steufa ganz verlassen. Sie werden in andere Arbeitsbereiche versetzt 07.04.2004
Die Disziplinarkammer beim Verwaltungsgericht Frankfurt/Main hebt die Disziplinarverfügung gegen Amtsrat Rudolf SCHMENGER wegen „Missbilligung“ auf.
Der Finanzamtsvorsteher hatte eine solche „Missbilligung“ gegen SCHMENGER am 25.3.2005 schriftlich ausgesprochen, nachdem er das Disziplinarverfahren gegen ihn eingestellt hatte. Grund für die „Missbilligung“:
„Sie haben sich durch das ungenügende Ausfüllen des Wochendienstplanes vom Sachgebiet XIX am 19.11.2002, weil sich daraus die Veranlassung oder der Zweck Ihrer Abwesenheit nicht ergibt (Vorwurf gemäß Ziffer 3) eines Dienstvergehens nach § 70 Satz 1 und 2 sowie § 69 Satz 3 HGB schuldig gemacht.“
SCHMENGER’s Beschwerde daraufhin bei der OFD hatte keinen Erfolg – der Oberfinanzpräsident PFISTER hatte die „Missbilligung“ mitgetragen.
Die Richter jedenfalls können in einem solchen Vorwurf gegenüber einem engagierten Steuerfahnder nicht wirklich eine Begründung für eine „Missbilligung“ sehen
11.05.2004 Zwei der inzwischen gemobbten Steuerfahnder aus dem Bankenteam sprechen im Hessischen Landtag den CDU-Landtagsabgeordneten Hans-Jürgen IRMER sowie den finanzpolitischen Sprecher der CDU, Gottfried MILDE an. IRMER spricht offen von „Mobbing“ 15.09.2004 SCHMENGER schreibt Ministerpräsident (MP) Roland KOCH, Finanzminister WEIMAR sowie Staatssekretär Dr. ARNOLD einen ersten Brief . Er stellt darin einen Antrag auf Erteilung einer Aussagegenehmigung, um Strafanzeigen gegen Führungskräfte des hessischen Finanzverwaltung erstatten zu können. Konkret schreibt SCHMENGER: „Allein der zu befürchtende Schadensersatzanspruch eines Frankfurter Großunternehmers beziffert sich meines Erachtens nach in Millionenhöhe.“ . SCHMENGER bittet um die „Verfolgung von Straftaten und Dienstpflichtverletzungen in der hessischen Finanzverwlatung“ sowie um deren „verwaltungsinterne Bereinigung“ 19.10.2004 Der Finanzpräsident der OFD Frankfurt, ELIES, der vom Oberfinanzpräsidenten PFISTER beauftragt wurde – seinerseits im Auftrag von Staatssekretär ARNOLD – die von SCHMENGER „vorgetragene Angelegenheit vollumfänglich zu prüfen“, wird anlässlich eines Besprechungstermins mehrfach darauf hingewiesen (u. a. vom Personalratsvorsitzenden des Finanzamts Frankfurt am Main V – Höchst), dass die von SCHMENGER angezeigten Straftatbestände sofort an die zuständige Staatsanwaltschaft abgegeben werden müssten 22.11.2004 SCHMENGER schreibt Ministerpräsident KOCH, Finanzminister WEIMAR und Staatssekretär Dr. ARNOLD einen zweiten Brief – auf den ersten gab es keine persönliche Reaktion von KOCH oder WEIMAR. Nur Staatssekretär ARNOLD hatte geantwortet: „Sobald die von Ihnen vorgetragene Angelegenheit überprüft ist, werde ich auf Sie zukommen.“ 23.11.2004 Sechs der Steuerfahnder setzen eine Petition an den Hessischen Landtag auf. Die Steuerfahnder verstehen nicht, dass sie nicht mehr als Steuerfahnder arbeiten dürfen
Die Beamten verlassen sich darauf, dass die Volksvertreter im Hessischen Landtag ihr Anliegen ernst nehmen werden. Sie gehen auch davon aus, dass sie im Rahmen des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses angehört würden.
Der inzwischen eingesetzte PUA wird bis zum März 2006 insgesamt 17 Sitzungen abhalten. 6 davon werden – teilweise – öffentlich sein.
Normalerweise sind PUA-Sitzungen immer öffentlich. Nur in sehr wenigen Fällen, wenn es um Geheimes und/oder Brisantes geht, kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. In diesem Fall macht man davon reichlich von der Nicht-Öffentlichkeit eines an sich öffentlichen Anliegens Gebrauch
17.03.2005 SCHMENGER’s dienstliche Beurteilung wird fällig: sie fällt – wiederum – negativ aus 21.04.2005 SCHMENGER schreibt Ministerpräsident KOCH, Finanzminister WEIMAR und Staatssekretär Dr. ARNOLD den dritten Brief und berichtet über die Regierungsrätin: „Die Ausübung ihrer Amtes … war von Willkür geprägt“ 16.06.2005 Nachdem die Finanzverwaltung SCHMENGERS Rehabilitation ablehnt, wendet er sich mit einer (eigenen) Petition an den Petitionsausschuss des Hessischen Landtags 22.06.2005 Der PUA tritt wieder zusammen. Unter anderem soll der Zeuge Wolfgang SCHAD, seines Zeichens Regierungsoberrat, gehört werden. SCHAD ist einer von zwei Steuerfahndern, die angehört werden (vgl. den SPIEGEL -Bericht v. 20.10.1997: Panne bei der Fahndung ).
Wolfgang SCHAD lebt nicht nur seinen Beruf. In seiner Freizeit amtiert er als Präsident des Hessischen Leichtathletikverbands (HLV). SCHAD wird vor der Anhörung durch den PUA ins Finanzministerium geladen: zum Abteilungsleiter 1, Mario VITTORIO, der später Oberfinanzpräsident werden wird. Sportverbände benötigen regelmäßig öffentliche Gelder, um ihren Aufgaben nachkommen zu können.
Nach diesem Gespräch bzw. aktuell vor dem parlamentarischen Gremium möchte SCHAD in der gerade öffentlichen Sitzung an diesem Tag nicht aussagen – er weiß, dass einige seiner Kollegen im Publikum sitzen. Er möchte dies in nicht-öffentlicher Sitzung tun, weshalb die Sitzung aufgehoben und der weitere Fortgang als „nicht öffentlich“ deklariert wird.
Tags drauf wird er von seinen Kollegen im Büro daraufhin angesprochen, dass er im PUA offenbar nicht die Wahrheit gesagt hat. SCHAD gibt zu, dass er einen „Blackout“ hatte, sich nicht an die Dinge erinnern konnte, die er z.B. eigenhändig bei der Petition an den Landtag mit unterschrieben hatte.
Bei seinen Kollegen ist er daraufhin nicht mehr gut angesehen. Für Oberamtsrat SCHAD kein Problem: er wird zum Regierungsoberrat (RoR) befördert und arbeitet nun im Hessischen Innenministerium: im Referat VI. Zuständigkeit dieses Referats: „Sport“ und „Sportförderung“.
Wolfgang SCHAD kann nunmehr sein Hobby zum Beruf machen.
Nach dieser PUA-Sitzung wird es nur noch eine einzige geben – die Abgeordneten der Opposition sehen keinen Grund, groß weiterzumachen, nachdem der ‚Kronzeuge‘ der Steuerfahndung keine nennenswerten Erkenntnisse zu den offiziellen Fragestellungen beisteuern konnte 28.06.2005 SCHMENGER schreibt Ministerpräsident KOCH, Finanzminister WEIMAR und Staatssekretär Dr. ARNOLD den 4. Brief . Eine persönliche Antwort seitens KOCH oder WEIMAR wird es nie geben. Nur Staatssekretär ARNOLD, Vertreter von WEIMAR, reagiert:
„Wie sie wissen und darin werden Sie mir sicherlich übereinstimmen, gebieten die Schwere und der Umfang der von Ihnen erhobenen Vorwürfe eine sorgfältige Bearbeitung Ihrer Eingabe. Auch wenn ich der Bearbeitung hohe Priorität einräume, bitte ich Sie doch um Verständnis dafür. dass die Bearbeitung noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird.“
Ein Schreiben des Personalrats des Finanzamtes Frankfurt/M. V – Höchst vom 15.09.2005 über die unerträgliche Arbeitssituation und fragwürdige Personalaktenführung an „Finanzminister WEIMAR persönlich“ wird ebenfalls seitens WEIMAR unbeantwortet bleiben August 2005 Der Stress nagt immer noch an SCHMENGER’s Gesundheit: er erleidet einen Bandscheibenvorfall, muss ins Krankenhaus, wird krank geschrieben – seine Ärzte wollen auf Nummer sicher gehen 15.09.2005 Der Personalratsvorsitzende Dr. Torsten KIMPEL schreibt an den Finanzminister persönlich:
Eine Antwort wird KIMPEL nie erhalten – statt dessen muss auch er die Steuerfahndung verlassen und wird an ein anderes Finanzamt zwangsversetzt
06.11.2005 Der Hessische Rundfunk (hr) berichtet über kaltgestellte Steuerfahnder. Die Opposition im Landtag fordert daraufhin den Finanzminister auf, für Fehler seiner Mitarbeiter einzustehen und die politische Verantwortung zu übernehmen 21.12.2005 Der Personalratsvorsitzende Dr. Torsten KIMPEL setzt im Beisein von 3 weiteren Beamten den haushaltspolitischen Sprecher der CDU Landtagsfraktion Gottfried MILDE sowie den CDU Landtagsabgeordneten Frank WILLIGES im Behördenzentrum Frankfurt vollumfänglich über die Situation in der hessischen Steuerfahndung in Kenntnis. MILDE avisiert einen kurzfristigen Besprechungstermin mit Finanzminister WEIMAR und Staatssekretär Dr. ARNOLD. Nach dem Gespräch melden sich die CDU Landtagsabgeordneten nie mehr 12.03.2006 Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) schreibt in einem Portrait „Leute der Woche“ über den hessischen Finanzminister:
„Karlheinz Weimar; Leidgeprüfter, ist vom Verdacht freigesprochen worden, er habe Steuersünder vor Strafverfolgung bewahrt“ 30.03.2006 Der abschließende Bericht des 16. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Hessischen Landtag liegt vor. CDU und FDP stärken der Landesregierung und insbesondere MP KOCH sowie Finanzminister WEIMAR den Rücken: es habe alles seine Richtigkeit gehabt.
Da der ‚Kronzeuge‘ (vgl. 22.06.2005) mehr oder weniger ‚ausgefallen‘ war, versickern die ursprünglichen Vorwürfe in der Flut der Akten. Nur die externen Experten der CDU hatten sie gründlich gelesen. Eine Regierungspartei kann aber kein Interesse an ihrer Demontage haben. SPD und GRÜNE hatten darauf gesetzt, dass alles ein Selbstläufer würde 26.04.2006 Das hessische Ministerium der Finanzen lehnt SCHMENGERS Antrag vom 15. September 2004 auf Erteilung einer Aussagegenehmigung ab, um seine Dienstvorgesetzten anzeigen zu können. Das Schreiben geht an seinem Geburtstag (05.05.) ein. Einerseits wird ihm die erbetene Aussagegenehmigung verweigert. Andererseits wird er nachdrücklich auf die Notwendigkeit einer Aussagegenehmigung hingewiesen, dass er im Falle einer Verletzung seiner beamtenrechtlichen Pflichten mit Disziplinarmaßnahmen zu rechnen habe, die bis zur Entfernung aus dem Dienst reichen können.
Diesem zweiten Schreiben ist als Anlage ein 99seitiger Bericht der OFD vom 3.11.2005 beigelegt, den Finanzminister WEIMAR in Auftrag gegeben hatte, Über diesen verfügt das DokZentrum derzeit (noch) nicht. In diesem Bericht werden offenbar alle Vorwürfe seitens der Steuerfahnder widerlegt, so die Ansicht der Finanzverwaltung. Es ist aber offenkundig die Widerlegung jener Seite, die kritisiert wurde. Es ist keine Widerlegung von unabhängiger Seite. Und es ist auch keine Würdigung durch einen Staatsanwalt, also keine Untersuchung, die im Rahmen der politischen Gewaltenteilung durchgeführt wurde.
Das DokZentrum wird sich mit dieser Widerlegung detailliert auseinandersetzen, sobald dies möglich ist Sommer 2006 Das Frankfurter Großunternehmen, dessen Inhaber offenbar mit den Angelegenheiten und Steuerproblemen überfordert ist, muss Insolvenz anmelden. Hunderte von Arbeitsplätzen gehen verloren: aufgrund der Durchsuchungen und Anschuldigungen hatten die Banken ihre Kreditlinien gestrichen – das Unternehmen ist nun zahlungsunfähig
Wie der letzte Widerstand gebrochen wird
17.07.2006 | Jetzt möchten die Vorgesetzten und alle, die sich über ihn ärgern, den Querulanten SCHMENGER endgültig loswerden. Ebenso die drei anderen, die nicht klein beigeben wollen. Damit beginnt in der hessischen Finanzverwaltung das, was man sonst nur aus totalitären Staaten im Umgang mit ihren Kritikern kennt: die Phase der Psychatrisierung :
Schritt 1: Die Oberfinanzdirektion Frankfurt/Main, die dem Hessischen Finanzministerium direkt unterstellt und gleichzeitig die Aufsicht über die Finanzämter führt, erteilt einen Auftrag an das Versorgungsamt: Schritt 2: Das Versorgungsamt gibt diesen Auftrag weiter an einen ‚bewährten‘ Fachmann – Dr. Thomas HOLZMANN aus Frankfurt, der den hessischen Finanzbehörden schon öfters zu Diensten war: Schritt 3: Schritt 4:
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31.07.2006 | Schritt 5: Der Psychiater Dr. med Thomas HOLZMANN teilt SCHMENGER im Versorgungsamt mit, dass er beauftragt sei, ein Nervengutachten zu erstellen. Ergebnis der etwa einstündigen Untersuchung: der Medizinmann diagnostiziert Dienstunfähigkeit auf Lebenszeit wegen “ paranoid-querulatorsicher Entwicklung“ und daraus sich ergebender „chronisch verfestigter psychischer Erkrankung“ : Als pdf hier nachlesbar: Gutachten Holzmann |
Das gleiche ‚Schicksal‘, Dienstunfähigkeit auf Lebenszeit wegen „psychischer Defekte“ wird die Beamten
aus dem „Finanzamt Frankfurt/Main V, Hauptsachgebiet Steuerfahndung“ ereilen. Gutachter: Dr. med. Thomas HOLZMANN 01.01.2007 Schritt 6:
SCHMENGER wird gegen seinen Willen in den Ruhestand versetzt 04.01.2007 SCHMENGER verfasst einen Brief an den Personalrat des Finanzamtes Frankfurt am Main V – Höchst. Zitat: „In der hessischen Finanzverwaltung reihen sich Gesetzesverletzungen an Gesetzesverletzungen ohne Konsequenzen für die Täter“ 06.07.2007 SCHMENGER beantragt bei der Steuerberaterkammer die Bestellung als Steuerberater 02.09.2007 Der hr (Hessische Rundfunk) berichtet in seiner Sendung „defacto“ über die Zwangspensionierungen unbequemer Steuerfahnder 09.11.2007 SCHMENGER wird zum Steuerberater bestellt. Für die Zulassung zum Steuerberater muss sich SCHMENGER erneut psychiatrisch begutachten lassen. Ergebnis: SCHMENGER ist psychisch kerngesund 09.11.2007 Die Steuerberaterkammer Hessen teilt dem Finanzministerium mit, dass SCHMENGER am 09.11.2007 als Steuerberater bestellt wurde. „Zuvor wurde auf der Grundlage von § 40 Abs. 4 StBerG ein nervenfachärztliches Gutachten vom 09.10.2007 erstellt. Dieses hat aus psychiatrischer Sicht ergeben, dass Schmenger den Beruf des Steuerberaters in vollem Umfang ordnungsgemäß ausüben kann“ 21.01.2008 DER SPIEGEL berichtet unter „Beamte – Großzügiger Verzicht“ : Unbequeme Steuerfahnder hat das Land Hessen in den Ruhestand versetzt, zum Teil schon mit 36 Jahren. Einer von ihnen berät jetzt die Gegenseite. Das Finanzministerium will die Vorgänge nicht kommentieren. „Herr Schmenger kann machen, was er will“ , erklärt ein Ministeriumssprecher 06.02.2008 SCHMENGER zeigt die Zwangspensionierungen von ehemaligen Steuerfahndern bei dem Menschenrechtsbeauftragten der Landesärztekammer Hessen an 19.02.2008 Nach der Durchsuchung des ehemaligen Postchefs Klaus ZUMWINKEL durch die Bochumer Staatsanwältin LICHTINGHAGEN stellt der SPD-Politiker Reinhard KAHL, designierter Finanzminister unter einer Regierung YPSILANTI, eine Anfrage im Landtag: Was aus den Liechtensteiner Steuerakten geworden sei, die schon 2004 im Untersuchungsausschuss Thema waren? 22.02.2008 Finanzminister WEIMAR erklärt schriftlich: Alle abgearbeitet. Steuermehreinnahmen pro Fall durchschnittlich 208,20 Euro 27.03.2008 Der Menschenrechtsbeauftragte der Landesärztekammer Hessen Dr. GIRTH schreibt SCHMENGER: „ Ich habe die Angelegenheit heute direkt an die Rechtsabteilung der Landesärztekammer Hessen weitergeleitet, da ich der Meinung bin, dass der Gutachter Dr. Thomas Holzmann … die ärztliche Sorgfaltspflicht missachtet hat und ein hochgradiger Anfangsverdacht auf Gefälligkeitsbegutachtung besteht. … Mir ist daran gelegen, deutlich zu machen, dass es hier nicht um menschenrechtlich fragwürdiges Verhalten geht, sondern in erster Linie um Rechtsbrüche“ 18.07.2008 Im bundesweit ersten Prozess um die Liechtenstein-Affäre verurteilt das Landgericht Bochum einen Steuersünder zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Außerdem muss er 7,5 Millionen Euro als Bewährungsauflage an die Staatskasse und gemeinnützige Organisationen zahlen. 7,6 Millionen Euro Einkommensteuer und knapp 420.000 Euro Solidaritätszuschlag hat er bereits zuückgezahlt. Der Steuersünder wohnt in Bad Homburg/Hessen. Zuständig für Bad Homburg war bis zur Umstrukturierung (im Jahre 2003/04): die Steuerfahndung im Finanzamt V in Frankfurt/Main November 2008 Rainer RAASCH, ehemaliger Richter am Frankfurter Landgericht, führt für die Landesärztekammer Hessen berufsrechtliche Ermittlungen gegen den Psychiater, der SCHMENGER und seine Kollegen für dienstunfähig erklärt hat. RAASCH prüft den Verdacht, dass der Psychiater per Gefälligkeitsgutachten die hessischen Finanzbehörde unterstützt hat, für sie unbequeme Beamte loszuwerden 11.12.2008
Die Illustrierte stern bringt eine groß aufgemachte Geschichte heraus:
01.04.2009 Steuerfahnder Marco WEHNER ist nun ebenfalls aus dem Staatsdienst herausgemobbt: er wird mit 39 Jahren zwangspensioniert.
Wenige Tage scheidet auch Frank WEHRHEIM, seit 1975 bei der Steuerfahndung, aus dem Dienst – er hat den Prozess gegen seine Zwangsversetzung verloren. WEHRHEIM hatte Ende der 70er Jahre u.a. mit Klaus FÖRSTER zusammen gearbeitet, wenn der die Vorstandsbüros von parteispendenden und steuerhinterziehnden Großunternehmen durchsuchen ließ.
Tina und Heiko FESER sind zu diesem Zeitpunkt ebenfalls aufgrund eines psychiatrischen Gutachtens von Dr. med. HOLZMANN für „dienstunfähig“ erklärt worden (siehe dazu auch das ABC der Ausgegrenzten und der Whistleblower )
und das Nachspiel bis heute
09.05.2009 | Rudolf SCHMENGER und Frank WERHEIM erhalten – stellvertretend für alle anderen geschassten Steuerfahnder und in memoriam des im Februar 2009 verstorbenen Steuerfahnders Klaus FÖRSTER, der den Flick-Skandal ins Rollen brachte – den Whistleblowerpreis der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) und der Association of International Laywers Against Nuclear Arms (IALANA) in Bad Boll. Tags zuvor hatte das Handelsblatt über die „Ausgezeichneten Verräter“ berichtet. Eine Anfrage – u.a. aus Gründen der journalistischen Sorgfaltspflicht – beim Hessischen Finanzministerium ergab die Antwort, die beiden „litten unter Verfolgungswahn“ |
18.5.2009 | Frank WEHRHEIM fordert mithilfe eines Anwalts den hessischen Finanzminister WEIMAR auf, Äußerungen „die beiden litten unter Verfolgungswahn“ künftig zu unterlassen. WEHRHEIM und SCHMENGER wollen sich gerade als private Steuerberater selbstständig machen – Verleumdungen schaden potenziell dem Image. Das Hessische Finanzministerium reagiert mit Schreiben vom 22. Mai darauf so: |
Mai/Juni 2009
Die Ärztekammer geht davon aus, dass es ich bei den Gutachten des Medizinmannes HOLZMANN um ‚Gefälligkeitsgutachten‘ handelt, die nichts mit der Realität zu tun haben. Sie unternimmt zweierlei:
Die „Fälschung von Gesundheitszeugnissen“ ist nach § 277 Strafgesetzbuch ein klarer Straftatbestand. Anfang Juni durchsucht die Staatsanwaltschaft die Praxis und die Wohnung des Medizinmannes Dr. med. Thomas HOLZMANN
13.07.2009 DER SPIEGEL berichtet in seiner Augabe Nr. 29 erneut über den Fall: „Chronisch anpassungsgestört“. Auch andere Medien berichten über diesen Vorgang:
16.07.2009 Die FR berichtet von einem ähnlichen Fall, bei dem ebenfalls ein hessischer Steuerfahnder aus dem Dienst „gemobbt“ wurde:
Daraufhin meldet sich Andreas JUST, „Personalratsvorsitzender am Finanzamt Frankfurt/Main I, Ortsverbandsvorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft (DStG) und Mitglied des Landesvorstands der DStG Hessen“ in einem „Offenen Brief“ an die FR zu Wort, der er „eine nahezu hetzerische Berichterstattung über vermeintliche Mobbingzustände“ vorwirft. Lesen Sie diesen 4-seitigen Brief selbst:
21.07.2009 Die FR legt erneut nach: 3 weitere Beispiele, in denen Finanzbeamten in Hessen „von oben“ herab Anweisung erteilt wurde, brisante Fälle abzugeben:
Anfang August Aufgrund einer Anzeige ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft gegen den Pressesprecher von Finanzminister WEIMAR: Entweder hat das Handelsblatt etwas geschrieben (vgl. 9.Mai 2009), was garnicht gesagt wurde, oder der Pressesprecher, der seinen Job erst vor Kurzem angetreten hat, hat gelogen. Jedenfalls lässt er seine Äußerung, SCHMENGER und WEHRHEIM litten an „Verfolgungswahn“, offiziell mithilfe seines Dienstherrn verleugnen 16.11.2009 Das Verwaltungsgericht veröffentlicht seine Entscheidung in Sachen Dr. med. HOLZMANN: „Standesrechtliche Verstöße eines Arztes“:
Große Konsequenzen hat dies für den Medizinmann nicht: Er muss 12.000 € Geldbuße zahlen. Was die Verwaltungsrichter damit nicht wirklich sagen (wollen), aber meinen: Die im Auftrag der Hessischen Finanzverwaltung be- und erstellten Gutachten sind ‚Gefälligkeitsgutachten‘.
Das vollständige Urteil gibt es hier nachzulesen: „Standesrechtliche Verstöße eines Arztes“, Az: 21 K 1220/09.GI.B
Im Zuge der Verhandlungen stellt sich heraus, dass der Medizinmann im Wochenrhythmus „Gutachten“ u.a. für die Hessische Finanzverwaltung erstellt: im Durchschnitt täglich 3 für je 350 € zzgl. MwSt. Der erste ‚Kandidat‘ muss um 10 Uhr erscheinen, der nächste um 12 und der letzte um 14 Uhr – im Fließbandtakt sozusagen.
Eine ‚richtige‘ Arztpraxis gibt es in der gewerblich genutzten Wohnung auch nicht, wie die Fotos vom Sandweg 12 belegen:
„Paketpost bitte am Kiosk gegenüber abgeben“
Der „Kiosk gegenüber“ des Auftragsgutachters der Hessischen Finanzverwaltung
Januar 2010 Am 28. 1. setzt der Hessische Landttag auf Antrag der GRÜNEN und der SPD einen neuen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in dieser Sache ein. Er „hat den Auftrag zu klären, inwieweit beim ehemaligen Finanzamt Frankfurt V mit den Bankenverfahren betraute Steuerfahnder und -fahnderinnen sowie Steuerfahndungshelfer und -helferinnen durch das Verhalten der Verantwortlichen in der Steuerverwaltung veranlasst wurden, diese freiwillig oder unfreiwillig zu verlassen, um Repressalien durch den Dienstherrn zu entgehen…“
Und weiter: „Der Untersuchungsausschuss hat außerdem den Auftrag zu klären, warum die vier ehemals beim Finanzamt Frankfurt V tätigen Steuerbeamten […] aufgrund ihres dienstlichen oder außerdienstlichen Verhaltens sowie aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand versetzt wurden. Dabei ist weiter zu berücksichtigen, seit wann und in welcher Form die Inruhestandsversetzung der vier Steuerbeamten und ihre Ursachen bereits Gegenstand von parlamentarischen Initiativen im Hessischen Landtag und von Sitzungen des Landtages und seiner Ausschüsse war…“ .
Dem Untersuchungsausschuss gehören 5 CDU- und 2 FDP-Mitglieder an sowie 3 von der SPD, 2 von den GRÜNEN und ein Vertreter der Linkspartei. Damit dominiert die Regierungskoalition die Ausschussarbeit. August 2010 Ministerpräsident Roland KOCH und Finanzminister WEIMAR haben keine Lust mehr. Sie treten von der politischen Bühne ab Herbst 2010 Die Dominanz der regierenden CDU-FDP-Koalition im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) macht sich längst bemerkbar. Die Steuerfahnder, um die es – eigentlich – geht – wurden bisher noch nicht als Zeugen vernommen. Jetzt muss sich sogar der Hessische Staatsgerichtshof mit dem Fall befassen – CDU und FDP konnten bisher erfolgreich verhindern, dass auch nur ein einziger Zeuge vorgeladen wurde – die Koalitionäre blockieren die Arbeit mit allen möglichen formalen Mitteln Januar 2011 Auch ein ganzes Jahr nach Einsetzung des PUA und 14 Sitzungen wurde noch kein einziger Zeuge gehört. Die Mehrheit in diesem Gremium will nicht wissen, was geschehen ist:
Website des Parlaments im Januar 2011 dazu: „Es liegen keine Termine vor“
Die Steuerfahnder, die – offenbar im Auftrag der Hesssischen Landesregierung bzw. der sie repräsentierenden Exekutive – mit manipulierten Gutachten eines inzwischen rechtskräftig verurteilten Psychiaters, der schon lange und vielfach für die Landesregierung tätig ist, zwangsweise psychiatrisiert und aus dem Dienst entlassen wurden, klagen jetzt
auf Wiedereinstellung bzw. Schadensersatz
März 2011 Die Jury der Stiftung „Freiheit der Presse“ erkennt den 3. „Wächterpreis der Tagespresse“ dem Redakteur Matthias THIEME zu: für seine hartnäckigen Recherchen und seine kontinuierliche Berichterstattung über die Steuerfahnderaffäre. THIEME musste regelmäßig Anfeindungen aus den Reihen der CDU-Regierungsmehrheit im Hessischen Landtag über sich ergehen lassen. Der Pressesprecher der Hessen-CDU bezeichnet THIEME’s Berichterstattung als „üble Schmutzkampagne“ 13.04.2011 Der Hessische Staatsgerichtshof spricht sein Urteil in Sachen Parlamentarischer Untersuchungsausschuss. Die Regierungsfraktionen CDU und FDP, die die Arbeit des Ausschusses regelrecht blockieren, werden zurechtgewiesen: Eine (regierende) Parlamentsmehrheit dürfe einen Untersuchungsauftrag gegen den Wunsch der Opposition nur insoweit erweitern, als die ursprünglichen Fragestellungen dabei nicht untergehen können; sonst würden die Rechte der parlamentarischen Minderheit verletzt.
Zur Einnerung: Um sicherstellen zu können, dass eine Regierungsmehrheit nicht Untersuchungsausschüsse blockieren kann, deren Untersuchungsgegenstand möglicherweise gegen sie selbst gerichtet ist, bedürfen solche Ausschüsse nur 25% der Stimmen im Parlament.
Im vorliegenden Fall haben die Regierungsfraktionen genau diese Rechte verletzt und damit gegen die Verfassung verstoßen, so die hessischen Verfassungsrichter.
So wollten CDU und FDP beispielsweise ebenfalls klären, wer von den 4 Steuerfahndern bereits vor Aufnahme der Untersuchungsausschussarbeit Kontakt mit Abgeordneten des Landtags gehabt habe. Dies sei für den Untersuchungsauftrag ohne Belang, so die Richter.
Die Frage nach der Effektivität der hessischen Steuerverwaltung sowie die Fragen nach der Leistung und dienstlichen Beurteilung der Steuerfahnder dürfen thematisiert werden, da sie direkten Bezug zu den Fragestellungen des Ausschusses haben, heißt es in dem Urteil des Hessischen Staatsgerichtshofes (P.St. 2290
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