Drei Millionen Bürger des „Arbeiter- und Bauernstaates“ DDR kehrten dem Land den Rücken – die Fluchtbewegung führte zum Bau der Mauer 1961, die Ausreisewelle 1989 schließlich unter reichlich Medienpropaganda und Meinungsmanipulation sowie falschen Vorstellungen des Westens zur Annexion der DDR.
Binnen kurzem wurde die DDR mit mehr as 500.000 Wessis generalstabsmässig besetzt. Und seit dem wird man diese „Helfer“ nicht mehr los. Die haben sich hier alles unter dem Nagel gerissen.
Doch es gab auch eine gegenläufige Bewegung: Mehr als eine halbe Million Westdeutsche machte sich auf in den Osten, um im anderen Deutschland zu leben.
Linke Westdeutsche, die die Bundesrepublik kritisierten, mussten sich den Spruch „Dann hau doch ab in den Osten!“ gefallen lassen. Und viele folgten ihm schliesslich.
Rüber machen – nicht von Ost nach West, wie Millionen andere, sondern von West nach Ost! Rund 600.000 Menschen siedeln bis zur Wende in die DDR über. Ihre erste Station nach ihrem Grenzübertritt war meisst ein Aufnahmeheim.
Das größte von insgesamt fünf Aufnahmeheimen ist Schloss Barby, an der Elbe bei Magdeburg. Es unterstand dem Innenministerium. Einwanderer und Rückkehrer wurden hier seit Ende der 50er-Jahre auf ihre Loyalität zum Sozialismus geprüft.
Die Übersiedlungsgründe waren vielschichtig. Die meisten sind ehemalige DDR-Bürger, die wieder zurück in die Heimat wollen. Die Westdeutschen zieht es vorwiegend aus wirtschaftlichen oder privaten Gründen in den Osten. Einwanderer und Rückkehrer wurden nicht immer mit offenen Armen empfangen.
Vor dem Mauerbau waren die Bedingungen für die Übersiedler noch humaner. Viele wurden schnell in die DDR integriert. Mit Schliessung der Grenzen wurde die Spionage abgewürgt, sodaß verständlicherweise nun auch Spione unter den Übersiedlern waren. Viele wurden daher überprüft und befragt, manche wochenlang. Wer nicht loyal schien, musste wieder zurück in den Westen. Aber auch Wirtschaftsflüchtlinge des Westens waren nicht sehr willkommen.
Auf die selbe Art wurden auch im Westen systematisch DDR Flüchtlinge und sogar DDR-Reisende „befragt“. Einige Wochenlang. Die Methoden waren also ähnlich nur ist das eben kein Thema für die Systempresse.
Während dieser Zeit wurden die DDR-Übersiedler von Betreuern auf ein Leben in der DDR vorbereitet, manche gingen arbeiten, andere nicht.
20 Jahre lang diente das Schloss Barby der DDR als Zentrales Aufnahmeheim, bevor sie eingebürgert oder abgeschoben wurden.
Die Gründe für den Umzug ins andere System waren höchst vielschichtig. Da gab es zum Beispiel die ideologisch geprägte Hoffnung, der kleinere deutsche Staat sei das „bessere Deutschland“. Der antifaschistische Gründungsmythos der DDR verschaffte ihr bei Vielen ein positives Image. Die anscheinend konsequente Entnazifizierung in der DDR nach dem Krieg wirkte umso attraktiver, je mehr in Westdeutschland alte Strukturen sich neu verfestigten: Saßen doch in der bundesdeutschen Justiz, bei Militär und Geheimdiensten, in Verwaltungen und Konzernzentralen bald wieder alte Nazis und deren Mitläufer ziemlich fest im Sattel.
Einen Schub bekam die West-Ost-Bewegung zudem nach dem Verbot der Kommunistischen Partei 1956. Kriminalisierte doch dieses umstrittene Verbot – rückwirkend Tausende politisch Andersdenkende. Es gab Repressionen nicht nur gegen Kommunisten, sondern auch gegen Gewerkschafter, Christen und andere, die sich gegen die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik aussprachen und gegen alte Nazikungeleien demonstrierten, Menschen, die Kontakte in die DDR hatten, die rote Nelken verteilten oder Ferienreisen für Kinder aus sozial schwachen Familien in die DDR organisierten. Das Verbot war einmalig in den Demokratien Europas – nur in Francos Spanien durften sich Kommunisten nicht parteilich organisieren.
Wer sich die Statistiken allerdings genau anschaut, der stellt fest: Politische Überlegungen spielten für viele die Übersiedler von West nach Ost eine Rolle, viele wechselte aus familiären Gründen, dicht gefolgt von wirtschaftlichen Motiven. Ein anderer Teil davon waren davon Rückkehrer, die also vorher schon von Ost nach West gegangen waren.
Allein 1954 gingen 75.000 Menschen den Schritt von West nach Ost. 35 Prozent der bundesdeutschen Übersiedler gaben an, aus familiären Gründen in Ostdeutschland leben zu wollen, und 25 Prozent nannten lange Arbeitslosigkeit als Grund.
Der Osten empfing in dieser Hochphase der Übersiedlung die Neubürger mit lockenden Angeboten: Bevorzugte Zuweisung einer Wohnung, Arbeitsplatzgarantie, erleichterte Kreditvergabe.
Der Liedermacher Wolf Biermann ist der bekannteste Westdeutsche, der in die DDR übersiedelte. Aber auch der Pfarrer Oskar Brüsewitz, das RAF-Mitglied Inge Viett oder die Eltern von Angela Merkel lebten aus verschiedenen Gründen in der DDR.
Herbst 1984, die Zeit der großen Ausreisewelle: 40.000 DDR-Bürger verlassen in diesem Jahr ihr Land. Doch eine Westberliner Künstlerin geht gegen den Strom – sie zieht in die DDR.
Es war an einem nebligen Novembermorgen in Berlin-Wilmersdorf, als die Männer einer Westberliner Speditionsfirma die Habseligkeiten der Schriftstellerin und promovierten Islamwissenschaftlerin Gisela Kraft – darunter mehr als 2.000 Bücher in elf Sprachen – auf einem gelben LKW verstauten. Zum Schluss setzte sich Gisela Kraft, den Korb mit ihrer Katze Leila in den Händen, zu den Männern in die Fahrerkabine. Dann ging’s los. Hinter ihnen fuhr ein Kleinbus des ZDF – der Umzug der 48-Jährigen war ein Ereignis. Und in der Tat: Gisela Kraft zog nicht einfach nur in eine andere Stadt, sondern in ein Land, das gleichzeitig nah und doch so ungeheuer fern war – in die DDR. Am Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße zeigte sie ihre Einreisepapiere vor. Der Grenzbeamte stutzte: „Sie haben gar nicht geschrieben, wann Sie wieder ausreisen werden …“ Gisela Kraft entgegnete: „Gar nicht. Ich bleibe hier.“ Der Beamte konnte das nicht fassen: „Sie wollen zu uns?“, fragte er ungläubig.
Der Staatssicherheit, die sich dem Übersiedlungsbegehren der Westberliner Autorin mit dem ihr eigenen Misstrauen annahm, waren die Ausführungen Gisela Krafts alles andere als geheuer: Wieso will eine Künstlerin freiwillig in die DDR kommen? Schließlich kam man zu der Überzeugung, dass sie im Auftrag „neotrotzkistischer Kräfte“ der „Freien Universität“ in Westberlin in die DDR eingeschleust werden soll, „um im Schriftstellerverband der DDR ideologisch wirksam zu werden.“ Dennoch legte die Staatssicherheit kein Veto gegen die Übersiedlung ein. Vermerkte jedoch, dass Gisela Kraft unter Beobachtung bleiben müsse. Und das blieb sie tatsächlich bis 1989.
Der Umweg über das Aussiedlerlager für bundesdeutsche Übersiedler in Röntgental blieb Gisela Kraft immerhin erspart: Sie hatte schweres Asthma und Ostberliner Kollegen bürgten für sie. Noch am Tag ihrer Übersiedlung konnte sie eine Neubauwohnung in Berlin-Friedrichshain beziehen. Sie bekam einen vorläufigen Personalausweis ausgestellt „für Bürger, die die Staatsbürgerschaft der DDR beantragt haben“, ein halbes Jahr später wurde ihr feierlich die Staatsbürgerschaftsurkunde überreicht. Sie war nun Bürgerin der DDR, das hieß auch: keine Reisen ins „nichtsozialistische Ausland“. Aber darauf hatte sie sich vorbereitet, und war auch bereit diese Einschränkung hinzunehmen: „Ich war 1984 noch viel gereist. Ich dachte: noch einmal Griechenland, noch einmal Türkei, denn bis ich 60 bin, wird es keine Reisen mehr geben …“
Aber dafür konnte sie „endlich schreiben, nur noch schreiben“. In Westberlin hatte sie als Pralinenformerin, Postbotin und Putzfrau gearbeitet, um über die Runden zu kommen. „In der DDR“, erinnerte sich Gisela Kraft, „konnte ich zum ersten Mal freischaffend sein. Ich konnte einfach vom Schreiben leben und sogar kleine Reisen machen und ins Theater gehen. Für das, was ich brauchte, war gesorgt: Ich konnte fleißig sein und musste mich nicht jeden Tag sorgen: Kann ich nächsten Monat die Miete bezahlen?“ Sie veröffentlichte Gedichte, begann ihr groß angelegtes Novalis-Projekt und leitete von 1987 bis 1990 das Ostberliner „Lyrik-Archiv“, zu dessen Veranstaltungen sie mit Klaus Wagenbach und Walter Höllerer auch Westberliner Referenten einladen konnte. Zensur erfuhr sie nur ein einziges Mal – bei einem Gedicht, das von der Mauer handelt.
Zwei Jahre nach ihrer Einreise in die DDR bekam Gisela Kraft das Privileg zugesprochen, Vorträge in Westberlin halten zu dürfen. An eine Rückkehr in ihre alte Heimat dachte sie allerdings nie. „In der DDR war vieles nicht rechtens, genauso wenig wie in der Bundesrepublik. Es gibt keinen Ort ohne Unrecht.“ 1990 fand sie sich dann aber plötzlich in der Bundesrepublik wieder und war traurig über das jähe Ende der DDR. Auch ihre berufliche Situation wurde jetzt wieder schwieriger: Ihre Verlage wurden geschlossen und Honorare für Lesungen konnte keiner mehr bezahlen. 1997 ging Gisela Kraft nach Weimar. „Die Stadt hat für mich genau das richtige Verhältnis von Natur, Kultur und Kleinstadtflair“, erklärte sie damals. Sie lebte von einer bescheidenen Rente, fuhr zu Lesungen in ganz Deutschland, bekam Literaturpreise und legte schließlich 2006 den dritten und letzten Band ihres großen Novalis-Projekts vor. Am 5. Januar 2010 starb Gisela Kraft in einer Klinik in Bad Berka an Krebs.
Zitate von Gisela Kraft aus: Rüber in die DDR, MDR 2006; „Novalis zog sie in den Osten“, Berliner Zeitung, 8. 2. 2010.
„Der letzte Kommunist“ heißt die Biografie über Ronald M. Schernikau – und publikumswirksam zielt dieser Titel auf einen Moment im Leben des Dichters, der ihn im Jahr 20 nach dem Mauerfall so anders, so gegenläufig und damit so medial interessant macht.
Ronald M. Schernikau war der letzte Bundesbürger, den die untergehende Deutsche Demokratische Republik einbürgerte. Im September 1989, während jeden Tag Tausende aus der DDR türmten, zog er von Berlin-West nach Berlin-Ost. Er folgte seiner Erkenntnis: „Die DDR ist richtig und die BRD ist falsch.“ Die spätere Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek schrieb über ihn: „Eine seltsame Vorstellung, wie dieser entschlossene junge Mann, einem Tier gleich, das seine Instinkte verkehrt herum eingebaut hat, hartnäckig in eine Richtung strebt, während ringsumher die anderen Tiere wie die Irren vor einem imaginären Buschbrand in die entgegen gesetzte Richtung flüchten.“
Schernikau wurde 1960 in Magdeburg geboren. Sein Vater floh kurze Zeit später in den Westen. Seine Mutter wollte hinterher – aus Liebe, aus Sehnsucht nach einem Zusammensein als Familie. 1967 kroch sie schließlich mit ihrem Sohn und voller Angst in den Kofferraum eines Diplomatenautos. Die Flucht war keine politische, die Krankenschwester fühlte sich wohl in der DDR und war Genossin. Im Westen angekommen muss sie feststellen: Ihr Mann hat eine neue Familie gegründet. Für Ellen Schernikau bricht eine Welt zusammen. Der Weg zurück schien ihr versperrt: Aus Scham, aus Angst vor einer Gefängnisstrafe, aus Angst davor, man könne ihr das Kind wegnehmen. Notgedrungen arrangierte sich die Frau mit dem Westen – sie fand Arbeit, Liebhaber, Freunde. Doch ihr Herz blieb im Osten. Sie las die neuen Bücher der DDR-Schriftsteller, schaute DDR-Fernsehen und abonnierte für Ronald die „Frösi“ – die Zeitschrift der Thälmannpioniere. Der hoch begabte Junge wurde gleich in die zweite Klasse eingeschult und wuchs im Gefühl auf, am falschen Ort zu sein.
1980 erschien die „kleinstadtnovelle“ des gerade einmal 19-jährigen Ronald Schernikau – eine stark autobiografisch gefärbte Erzählung, die von einem schwulen Gymnasiasten in der Provinz handelt. Dessen Schwulsein aber bekommt nicht – wie so oft in der Literatur üblich – eine traurige Note, sondern besticht durch eine kämpferische, selbstbewusste Nuance. Der „SPIEGEL“ feierte die Novelle und Schernikau kam groß raus. Er löste sich aus der Kleinstadt und machte sich auf nach Westberlin – damals der Treffpunkt einer hochpolitisierten Boheme und Schwulenszene. Und Schernikau wurde ein schillernder Exponent dieser Szene: Er trug Frauenkleider, verbrachte die Nächte in Schwulenkneipen und war gleichzeitig Mitglied der nicht gerade für ihre Freizügigkeit bekannten Sozialistischen Einheitspartei Westberlins (SEW), dem SED-Ableger in Westberlin. An seinen literarischen Vorhaben arbeitete er mit äußerster Disziplin, aber auf den großen Erfolg des ersten Buches folgten zahlreiche Rückschläge: Schernikau fand keinen Verleger, sein Versuch, in einer Theaterproduktion am Deutschen Theater in Ostberlin zu hospitieren, scheiterte, und für das von ihm angestrebte Studium am Leipziger Institut für Literatur Johannes R. Becher fehlte die Rechtsgrundlage.
Westberlin rückte den Jungliteraten näher an das Land seiner Sehnsucht heran. Mehrfach besuchte er Schriftsteller-Kollegen in Ostberlin – und sehnte sich nach deren materieller Sicherheit: „Würde ich in der DDR leben, wäre alles viel einfacher. Die Miete ist dort billiger, das Essen, einfach alles.“ Ein anderer Übersiedler, der von Schernikau über alles verehrte Peter Hacks, antwortete auf seine Frage, ob er ihm rate, denselben Schritt zu tun: „Falls Sie vorhaben, ein großer Dichter zu werden, müssen Sie in die DDR; sie allein stellt Ihnen – auf ihre entsetzliche Weise – die Fragen des Jahrhunderts. Sollte hingegen Ihr Talent darin liegen, Erfolg zu haben und Menschen zu erfreuen – in dem Falle freilich würde ich mir einen solchen Entschluss noch überlegen.“
In Westberlin musste sich Schernikau mühsam durchschlagen. Er lebte von einer schmalen Unterstützung durch seine Mutter oder davon, Kinder zu betreuen. 1986 endlich gelang es ihm schließlich, ein Studium am Leipziger Literaturinstitut aufzunehmen. Dort wurde der exotische Westler nicht von allen freundlich begrüßt: „ich trage lenin am revers, und vermutlich halten mich 49 prozent der leute in leipzig für verrückt und weitere 49 prozent für einen punk. der rest ist meine hoffnung.“
In Leipzig schrieb er „Die Tage in L.“ Dem Untertitel entsprechend geht er darin gleichermaßen schonungslos mit der DDR und BRD ins Gericht: „Darüber, daß die DDR und die BRD sich niemals verständigen können, geschweige mittels ihrer Literatur.“ Der sozialistische Staatsversuch lag in den letzten Zügen. Von seinen Leipziger Erfahrungen keineswegs umgestimmt, betrieb Schernikau hartnäckig seine Einbürgerung, der dann im September 1989 auch stattgegeben wurde.
Der Westen, den er so verabscheute, holte Schernikau wenige Wochen später ein. Die DDR wurde geschluckt. Ein Jahr nach dem Beitritt starb er an den Folgen von Aids. Erst acht Jahre später erschien in dem kleinen Dresdner Goldenbogen-Verlag – finanziert durch Freunde und Kollegen – sein achthundertseitiges Hauptwerk „Legende“.
Der 1929 geborene Theologe Heino Falcke entschied sich 1951, in die DDR überzusiedeln, um mitzuhelfen, ein christliches Gemeindeleben aufrechtzuerhalten. Er war zunächst Gemeindepfarrer in Wegeleben, später Rektor des Predigerseminars in Gnadau und von 1973 bis zu seinem Ruhestand 1994 Dompropst in Erfurt. Falcke rief seine Kirche stets dazu auf, sich couragiert in die sozialistische Gesellschaft einzubringen:
„Wir können diese Gesellschaft nur akzeptieren und in ihr Verantwortung tragen, wenn wir an der Veränderung dieser Gesellschaft arbeiten.“ Heino Falcke gilt heute als einer der maßgeblichen theologischen Vordenker der Friedlichen Revolution von 1989
Das es so ausging, das die DDR vollkommen verschwand hat er nie gewollt.
Ein weiterer Theologe der 1960 von Hamburg in den Osten zog war die Familie Kasner, also die Eltern von Angela Merkel. Ihre Mutter war damals bereits schwanger während der Vater Gemeindepfarrer in der Uckermark wurde.
Weitere Videos – natürlich wie üblich mit gehässigem Unterton:
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