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Überwachungsstaat Bundesrepublik

Überwachungsstaat Bundesrepublik – Post aus der DDR wurde systematisch ausgespäht

Dass Bürger bespitzelt wurden und weder Post noch Telekommunikation vor dem staatlichen Zugriff sicher waren, kennt man aus der DDR. Dass aber auch in der Bundesrepublik ähnliche Zustände herrschten, ist neu.
Der Freiburger Historiker konnte erstmals streng-geheime Akten sichten und fand heraus: In westdeutschen Postämtern wurden in großem Stil Telefone angezapft und die Post überwacht, über Jahrzehnte.

Überwachtes Deutschland v. Foschepoth

Josef Foschepoth
„Überwachtes Deutschland“
Vandenhoeck & Ruprecht 2012
ISBN-13: 978-3525300411

„Das war das am besten und am meisten überwachte Land in Europa, vielleicht auch weltweit“, sagt Josef Foschepoth.

„Es ist frappierend, was alles in irgendwelchen Vereinbarungen und Statuten versteckt ist. Aber irgendwann wurde klar: Wir haben nahezu symbiotische Zustände zwischen den Geheimdiensten. Und alles mit dem Segen und Wissen der Bundesregierungen.

 

Im ehemaligen Bahnpostamt in Hamburg wurden jahrzehntelang Briefe und Pakete die aus der DDR in die Bundesrepublik gesandt wurden, aufgerissen und durchsucht.
„Die Post wurde hier vom Postbahnhof in den Aufzug im Mittelbau transportiert und von dort in den siebten Stock befördert“, erinnert sich Carl-Henry Dahms, ehemaliger Beamter der Bundespost. „Das war ein Raum mit drei bis vier Postbeamten und einem Zollbeamten. Das fand an Tischen statt, die vor dem Fenster angeordnet waren.“

Geheime Überwachungsräume in bundesdeutschen Postämtern

Geheime Überwachungsräume in Postämtern gab es angeblich nur in der DDR.
„Diese Überwachungsstellen gab es eigentlich in jedem größeren Postamt der Bundesrepublik“, so Foschepoth, „und zwar einmal für die Überwachung der deutsch-deutschen Post und dann aber auch, das ist ein weiterer Aspekt, eine Überwachungsräumlichkeit unterschiedlicher Größenordnung für die Alliierten, für die Besatzungsmächte.“
Der Freiburger Historiker Josef Foschepoth dokumentiert genau das in seinem neuen Buch „Überwachtes Deutschland“.

„Man kam auf die Idee, dass man an vier Stellen sogenannte Aussonderungsstellen einrichten sollte“, so Foschepoth. „Aussonderungsstellen waren Hamburg, Hannover, Bebra beziehungsweise Bad Hersfeld und Hof, sodass eine zweite Westgrenze gezogen wurde, über die eigentlich keine Post aus der DDR mehr in den Westen gelangen sollte.“ Die Bahnpost aus der DDR wurde in den sogenannten Aussonderungsstellen zentral gesammelt. Schon in den Zügen begannen Postbeamte zu sortieren. Sie lasen Postkarten, tasteten Sendungen ab. Zeitungen, Bücher, Broschüren – verdächtg war beinahe alles, was von drüben kam.

Eine eigene Propagandakompanie der Bundeswehr

Protest gegen Spionage der NSA

Protest gegen Spionage der NSA

Thomas Mielke arbeitete in den 1960er Jahren für eine streng geheime Propagandakompanie der Bundeswehr.
„Ich habe die Postsäcke eingeladen“, erinnert sich der ehemalige Bundeswehrsoldat Thomas Mielke. „Und dann musste ich sie in mein Büro schleppen und ich sollte sie alle auf der Erde auskippen, um sie zu sortieren. Es waren schätzungsweise 1000 bis 3000 Briefe, in denen ich dann bis zu den Knöcheln drinstand und mir sagte: Was machst du jetzt mit dieser vielen Post und was soll das Ganze überhaupt?“
Dass er verfassungswidrig Post öffnete, kümmerte ihn wenig. In einer Hannoveraner Kaserne schnüffelten Mielke und Kameraden, gaben Verdächtiges an die Geheimdienste weiter.

„Die kamen nie an“, sagt Mielke. „Die waren weg. Die Briefe erreichten ihre Empfänger nie. Ganz egal, ob da private Mitteilungen drin waren und Oma hat das Paket gekriegt, das war dann Pech, wenn man solche Briefe geöffnet hatte, da musste man die Spuren beseitigen. Die kann man doch nicht wieder zukleben und weiter schicken.“
Zigtausende Briefe und Postkarten wurden von Mielkes Einheit aus dem Verkehr gezogen. Nicht nur für den Inhalt, auch für die westdeutschen Empfänger interessierten sich die Soldaten.
Wer bekam was aus der DDR? Mielke schrieb auf, interpretierte. Insbesondere die Ostermarschierer und die berühmte Gruppe 47 hielt er neben vielen anderen für verdächtig, infiltriert zu sein. Beweise dafür gibt es bis heute nicht. Gesammelt wurden von den Beamten auch Erkenntnisse zu Beziehungen der Briefeschreiber, ihrem ganz privatem Netzwerk von Freunden und Bekannten.

Frontstaat im Kalten Krieg – Adelnauer als Vasall der Alliierten
Die Angst der Alliierten vor dem Kommunismus war groß und die Bundesrepublik war ein Frontstaat im Kalten Krieg. Hier herrschten ganz besondere Bedingungen.
Konrad Adenauer ließ sie sich diktieren, am Parlament vorbei. „Ich habe die entsprechenden Akten und Quellen in Washington und London durchgeschaut“, so Foschepoth, „und auch bis dahin teilweise noch geheim gehaltene Akten einsehen können und dabei den erstaunlichen Fund gemacht, dass Adenauer mit den Alliierten über diese Vorbehaltsrechte zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs und über den Geheimdienstvorbehalt, der den alliierten Geheimdiensten praktisch einen rechtsfreien Raum, ein rechtsfreies Agieren in der Bundesrepublik zusicherte, eine gemeinsame Vereinbarung getroffen hat.“

Hinweis: 26. Mai 1952, Dreimächtevertrag Bundesgesetzblatt 1955 II S. 303
sowie Truppenvertrag mit Finanzierungsvertrag erlegt der BRD Kosten der Besatzungstruppen auf
Artikel 2 der Pariser Verträge gibt Allierten Gesetzesmacht auf Grundgesetz-Ebene in Deutschland
1953 Überarbeitung des Deutschlandvertrages mit Geheimvertrag zur Einrichtung einer umfassenden Telefon- und Postkontrolle in der Bundesrepublik. Präzisiert wird das ganze durch eine Verwaltungsvereinbarung.

Die Verwaltungsvereinbarung erläutert nur, was in den Hieroglyphen anderer völkerrechtlicher Verträge enthalten ist. Sie ist auch dafür da, um die Intensität der Zusammenarbeit zu präzisieren und sie vor Geheimnisverrat und Strafverfolgung zu schützen – Dinge, die durch die Causa Snowden momentan aktuell sind.“

Ein Passus im Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatut, der 1963 in Kraft trat und den Truppenvertrag von 1955 ablöste, öffnet in diesem Fall die Türe. Darin verpflichten sich beide Seiten zu engster Zusammenarbeit. Diese betraf insbesondere „die Sammlung, den Austausch und den Schutz aller Nachrichten“. Um die „enge gegenseitige Verbindung“ zu gewährleisten, verpflichteten sich beide Seiten, weitere Verwaltungsabkommen und geheime Vereinbarungen abzuschließen. In Artikel 38 wurde zudem ein striktes Geheimhaltungsgebot vertraglich festgelegt.

Der Clou sind allerdings die Grundgesetzänderung, das G-10-Gesetz und die dazu abgeschlossene geheime Verwaltungsvereinbarung von 1968.
Scheinbar großherzig gaben die Alliierten die Überwachung an die Deutschen ab, die nun Dienstleister in Sachen Überwachung für die drei Westmächte wurden. Eine völkerrechtlich verbindliche geheime Zusatznote vom 27. Mai 1968 berechtigte die Alliierten außerdem, im Falle einer unmittelbaren Bedrohung ihrer Streitkräfte auch weiterhin eigene Überwachungsmaßnahmen durchzuführen. Es war der Bluff des Jahres 1968.
Dieses Zusatzabkommen haben nur die drei Westmächte nur mit der Bundesrepublik geschlossen. In diesem Sonderrecht spiegeln sich nach wie vor Sieger- und Besatzungsrecht wider.
Truppenstatut, Verwaltungsvereinbarung und geheime Note überdauerten auch die Wiedervereinigung, sie gelten bis zum heutigen Tage weiter.

Und so kabelt 1954 stolz die Britische Botschaft aus Paris nach London, Adenauer werde eine umfassende Post- und Telefonkontrolle einrichten. In den offiziellen Verträgen von Paris blieb dies unerwähnt, es handelt sich um eine Geheimvereinbarung. Foschepoth suchte weiter und fand in einem Archiv ein Album mit seltenen Fotos der britischen Zensurbehörde. Hunderte, zumeist Frauen, lasen private Briefe – auch aus Deutschland – der alltägliche Wahnsinn des Kalten Krieges. „Die Alliierten waren im Grunde genommen die Controler des ganzen Spiels im Kalten Krieg“, sagt Thomas Mielke. „Natürlich wussten wir, dass wir nicht souverän sind als Bundeswehr, als Bundesrepublik Deutschland. Natürlich wussten wir, dass wir Aufpasser hatten, ob nun in Bonn, Berlin oder sonstwo.“

Beziehungsnetzwerk anhand der Briefpost

Beziehungsnetzwerk anhand der Briefpost

Briefgeheimnis gebrochen
Carl-Henry Dahms geht noch einmal den Weg, den die Post in den 1960ern und 1970ern nahm. Bis zu 4000 Briefe wurden täglich von seinen Mitarbeitern in den siebten Stock gebracht – zu Beamten, die das Briefgeheimnis in staatlichem Auftrag brachen, statt es zu beschützen – ein dunkles Kapitel. „Es war nicht nur die geglückte Demokratie“, so Dahms, „es war nicht nur die Erfolgsgeschichte oder die fundamentale Liberalisierungspolitik, die schon in den 1950er Jahren angefangen hat, sondern es war auch eine Geschichte der fortgesetzten Verletzung der Verfassung, des fortgesetzten Verfassungsbruchs und das müssen wir erklären.“

Die Sonderrechte der Alliierten, so sagt Foschepoth, gelten übrigens immer noch. Nur dass heute niemand mehr Briefe öffnen muss, E-Mails sind viel leichter zu knacken. Überwachung muss sein, sagt Ex-Bundeswehrsoldat Mielke. Denn ein Staat sollte doch wissen, was seine Bürger denken. Und der Raum im siebten Stock des ehemaligen Hamburger Bahnpostamts? Den gibt es nicht mehr – die Tauben hausen jetzt dort, hat Carl-Henry Dahms erfahren.

 

Zitat Josef Foschepoth:
Das Narrativ vom schnellen Aufstieg der Bundesrepublik nach dem Krieg unter gleichberechtigten Freunden stimmt auf jeden Fall so nicht. Es gibt dicke Fragezeichen. Dadurch wird ja nicht alles schlecht, aber einige Dinge waren eben anders, als wir bislang dachten.“
„Fakt ist: Der ganze Überwachungskomplex ist ein wesentliches Element der Rechtstaatsentwicklung Westdeutschlands gewesen. Die Bundesrepublik wäre niemals das geworden, was sie ist: in ihrer ganzen Beschränktheit, aber auch in ihrer Eingebundenheit in den Westen. Aber natürlich auch in ihrer Aggressivität gegenüber dem Ostblock.“

Vieles deutet darauf hin, dass es heute sogar noch viel schlimmer geworden ist. Die Vernetzung zwischen den Diensten ist enger, die technischen und finanziellen Möglichkeiten wurden immer gewaltiger. Gemessen an dem Umfang der Überwachung, haben wir heute nach Ansicht der Geheimdienste offenbar eine x-mal größere Bedrohungslage als zu Zeiten des Kalten Krieges.

Die NSA darf in Deutschland alles machen. Nicht nur aufgrund der Rechtslage, sondern vor allem aufgrund der intensiven Zusammenarbeit der Dienste, die schließlich immer gewollt war und in welchen Ausmaßen auch immer politisch hingenommen wurde.

Aufgrund des Zusatzvertrags zum Truppenstatut und einer weiteren geheimen Vereinbarung von 1955 hat die Bundesregierung den alliierten Mächten sogar den Eingriff in das System der Strafverfolgung gestattet.

Wenn eine relevante Information im Rahmen eines Strafverfahrens an die Öffentlichkeit gelangen könnte (wie im Fall Snowden), heißt es in Artikel 38, „so holt das Gericht oder die Behörde vorher die schriftliche Einwilligung der zuständigen Behörde dazu ein, dass das Amtsgeheimnis oder die Information preisgegeben werden darf“.

Gemäß der geheimen Vereinbarung wurde sogar der Strafverfolgungszwang der westdeutschen Polizei bei Personen aufgehoben, die für den amerikanischen Geheimdienst von Interesse waren. Stattdessen musste die Polizei den Verfassungsschutz und dieser umgehend den amerikanischen Geheimdienst informieren. Dann hatten die Amerikaner mindestens 21 Tage lang Zeit, die betreffende Person zu verhören und gegebenenfalls außer Landes zu schaffen. Was nicht selten geschah. Im Übrigen hat natürlich die Bundesregierung keinerlei Interesse, sich auf einen neuen Kalten Krieg, dieses Mal mit den Vereinigten Staaten, einzulassen.

 

Im Interview mit der Zeit am 25. Oktober 2013 erläuterte er die Konsequenzen des G-10-Gesetzes:

„Seit der Grundgesetzänderung von 1968 gilt, dass bei einer Überwachung der Betroffene nicht informiert werden muss und der Rechtsweg ausgeschlossen ist. Es gibt also keine Kontrollen. Die Exekutive sagt, sie wisse von nichts oder sie dürfe nichts sagen. Die Gerichte sind ausgeschaltet. Und im Parlament kontrolliert die G-10-Maßnahmen eine vierköpfige Kommission, die auf Informationen der Dienste angewiesen sind, genauso wie das geheim tagende Parlamentarische Kontrollgremium. Überwachungsmaßnahmen der USA und der Alliierten hat die G-10-Kommission immer zugestimmt. Faktisch gibt es im Rechtsstaat Bundesrepublik keine wirksame Kontrolle der geheimen Dienste.“

Im Gastbeitrag „In Deutschland gilt auch US-Recht“ vom 11. August 2014 in der Süddeutschen Zeitung konstatierte er weiterhin:

„Die Privilegien der USA reichen von der Steuer- und Zollfreiheit über die Mitfinanzierung der militärischen Infrastruktur, die Übernahme von Sozialleistungen für deutsche Zivilangestellte bis zu Vergünstigungen für amerikanische Firmen, die bestimmte Dienstleistungen, unter anderem im Geheimdienstbereich, für die US-Truppen in Deutschland erbringen. Dazu kommen Sonderrechte im Bereich der Strafgerichtsbarkeit und Strafverfolgung.“

Quellen: 3Sat Kulturzeit Bericht, SZ Interview und Wikipedia

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Militär-Etat Ger 2017:... 488,09$
Militär-Etat Rus 2015:... 466,44$
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