Urteil: Russland soll 50 Mrd. Dollar an Yukos-Eignern zahlen
Auf Russlands Wirtschaftsbeziehungen kommen schwere Zeiten zu – nicht nur wegen der völlig zu Unrecht angedrohenden Sanktionen:
Ausgerechnet jetzt und ausgerechnet in den vom Boeing-Abschuss traumatisierten Niederlanden wurde der Spruch eines Internationalen Schiedsgerichts verkündet: Der russische Staat muss die gewaltige Summe von 50,02 Milliarden US-Dollar bezahlen, so das Fazit der über 600 Seiten dicken Entscheidung. Hinzu kommen noch 60 Mio. Dollar Anwaltskosten und 4,24 Mio. Euro Gerichtskosten.
So lautet das Urteil in einem Schiedsgerichtsverfahren um die Enteignung des Yukos-Konzerns. Ein mit Sicherheit politisch motiviertes Urteil das im Grunde genommen nur ein verdeckte Sanktion darstellt. Ziel ist die Schädigung der russischen Wirtschaft, die anders kaum angreifbar sein wird.
Neun Jahre Verhandlungen vor dem Schiedsgericht
Seit 2005 hatte in Den Haag ein mit drei Richtern aus Kanada, den USA und der Schweiz besetztes Gremium über Schadenersatzforderungen der einstigen Eigner des Yukos-Konzerns (der Bank Menatep, Großaktionärin des Ölkonzerns Yukos) an den russischen Staat verhandelt. Gefordert hatten die Kläger zuletzt 114 Mrd. Dollar – 2005 bei Klageeinreichung bezifferten sie ihren Schaden noch mit einem Viertel dieser Summe. Nun – 9 Jahre später kommt – wie auf Knopfdruck – das Urteil.
Nun soll der Kreml auch noch 50 Mrd. Dollar zahlen.
Es handelt es sich um den größten Betrag, der jemals in einem Schiedsgerichtsverfahren in einem Wirtschaftsstreit einem Kläger zugesprochen wurde. Russland wurde wegen der „beträchtlichen Summe“ ein halbes Jahr Zeit zur Zahlung eingeräumt, ab dann laufen Strafzinsen auf.
Man hat den Eindruck es handelt sich hierbei um eine weitere Sanktion gegen Russland, das die USA und ihre NATO-Partner in die Knie zwingen will.
Russland wird Schiedsspruch anfechten
Dabei ist absehbar, dass Russland alles tun wird, um Zahlungen zu vermeiden: Zunächst einmal gibt es die Möglichkeit, innerhalb von zehn Tagen den Spruch vor einem holländischen Zivilgericht anzufechten. Dies wird auch geschehen, kündigte Außenminister Sergej Lawrow an.
Wie die Moskauer Zeitung „Kommersant“ berichtet, hat die russische Seite eine ganze Reihe von Vorbehalten gegen das Verfahren – beginnend bei der Frage, ob das Schiedsgericht überhaupt für eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der Steuerschulden in Milliardenhöhe zuständig war, die im Fall Yukos die Grundlage für die Bankrotterklärung und anschließende Zwangsversteigerung der Aktiva waren. Auch sei die russische Position bei wichtigen Detailfragen nicht angehört worden.
Das Gericht begründete seine Zuständigkeit mit der 1994 auch von Russland unter dem versoffenen Jelzin unterschriebenen Energie-Charta, die einen besonderen Schutz von Investitionen im Energiebereich vorsieht. Das russische Parlament hat das Dokument aber nie ratifiziert. Insofern ist es nie gültig geworden.
Chodorkowski unbeteiligt, aber sehr zufrieden, Seilschaft funktioniert prächtig
Hinter den Klägern, zwei auf Zypern und eine auf der britischen Isle of Man gemeldeten Firma, steht die formell in Gibraltar beheimatete „Group Menatep Ltd.“ (GML), die bis zur Zerschlagung von Yukos der Hauptaktionär des Ölkonzerns war. Dessen erst letztes Jahr nach zehn Jahren Haft entlassener Ex-Chef Michail Chodorkowski hat hingegen mit der Klage nichts zu tun: Er hatte seine GML-Anteile 2005 an seine im Ausland lebenden Kompagnons übertragen, wodurch Yukos zuletzt zu 70 Prozent GML gehörte.
Die Mehrheit der Yukos-Aktien im Werte von 12 Milliarden USD gehörte schon 2003 nicht mehr Michail Chodorkowski, sondern Jakob Rothschild, berichtet die britische „Sunday Times“ schon 2003. Chodorkowski habe bereits Monate vor seiner Verhaftung mit Rothschild vereinbart, dass dieser im Falle einer Verhaftung die Patenschaft über Chodorkowskis Vermögenswerte übernimmt. Nathaniel Charles Jacob Rothschild, 4. Baron Rothschild ist Ehrenpräsident des „Institute for Jewish Policy Research“ und Chef von RIT Capital Partners, die mit einem Anteil von 37 Prozent bei der Rockefeller-Finanzgruppe eingestiegen ist. Die Familien der Rothschilds und Rockefeller (Rockefeller-Finanzgruppe, Standart Oil Company) sind seit mehr als 50 Jahren befreundet.
Arrested Oil Tycoon Passed Shares To Banker Rothschild
Ein weiterer illustrer Name in der Reihe der Eigner war Otto Graf Lambsdorff (FDP), deutscher Wirtschaftsminister von 1977 bis 1984, seit 2003-2009 Mitglied im Advisory Board (dem Beirat aus internationalen Experten) der russischen Bank Menatep, Großaktionärin des Ölkonzerns Yukos und eines der größten Finanzinstitute Russlands.
Inzwischen ist sein Sohn Alexander Sebastian Léonce von der Wenge Graf Lambsdorff, seit 2014 stellv. Präsident des Europäischen Parlamentes und Vorsitzender der FDP-Fraktion im EU-Parlament aufgerückt.
Seine Laufbahn begann der blaublütige Spross beim Justizminister Kinkel. Im Sommer 2003 war er in der politischen Abteilung des Auswärtigen Amtes tätig und Länderbeauftragter für Russland und 2004 wurde er ins EU-Parlament gewählt und ist Gründungsmitglied der Atlantischen Initiative, einer neuen deutsch-amerikanischen Lobbyorganisation. Er beschäftigt sich vorwiegend mit Türkei, China und Russland, gegen die er auch regelmässig Hetze betreibt.
Das Managermagazin befragte Graf Lambsdorff 2003:
Sie sind Mitglied im International Advisory Boards des Finanzinstituts Group Menatep, zu dessen Mitgründern und Anteilseignern Michail Chodorkowski zählt. Menatep wiederum ist Mehrheitseigner des Ölkonzerns Yukos . Wie kamen Sie zu dem Posten bei Menatep?
Graf Lambsdorff: Anfang dieses Jahres hat mich Stuart Eizenstat, früher stellvertretender Finanzminister der USA und mein Verhandlungspartner bei der Frage der Entschädigungsverhandlungen für Sklaven- und Zwangsarbeiter in der Nazizeit gefragt, ob ich bereit sei, in dem beratenden Gremium bei Menatep mitzuwirken.
Ich hatte keinen Grund, dieses Angebot auszuschlagen. In persönlichen Begegnungen mit Michail Chodorkowski und aus der Unternehmensphilosophie von Menatep und Yukos hatte ich den Eindruck gewonnen, dass hier ein Unternehmer wirkt, der demokratischer Transparenz einen hohen Stellenwert beimisst.
Als eine Konsequenz dieser Grundhaltung sitzen im Top-Management von Yukos eine Reihe ausländischer Experten. Diese internationale Besetzung auf den Spitzenposten sichert Yukos jetzt die operative Handlungsfähigkeit.
Aus seinem Schweizer Exil teilte Chodorkowski mit, dass er sehr erfreut über die Entscheidung sei: „Das ist das erste unabhängige Gerichtsverfahren, in dem der Fall Yukos mit der Untersuchung von Beweisen und der Anhörung von Zeugen in Gänze betrachtet wurde“, erklärte er. Schade sei nur, dass die Kompensation jetzt aus dem Staatshaushalt bezahlt werden müsse und „nicht aus den Taschen der macht-nahen Mafiosi“, die diesen „unverdeckten Raubzug gegen eine erfolgreiche Firma“ eingefädelt hätten.
Legt man die 50-Milliarden-Forderung auf die russische Bevölkerung (einschließlich jener auf der vereinnahmten Krim) um, entfallen auf jeden Bürger 350 Dollar.
Gegen den Kreml klagen: Sedelmayers Know-How
Sollte Russland mit seiner Position vor Hollands Gerichten nicht durchkommen, kann GML versuchen, mit Zwangsvollstreckungen seine gigantischen Forderungen gegen den russischen Staat einzutreiben. Dies ist extrem schwierig: Der aus Bayern gebürtige Unternehmer Franz Sedelmayer hat es bisher als einziger geschafft, in einem bereits seit 20 Jahren laufenden internationalen Rechtsstreit Schulden der Russischen Föderation einzutreiben.
Beispielsweise ließ er Gebäude der ehemaligen sowjetischen Handelsvertretung in Köln pfänden und zwangsversteigern. Eine ähnliche Auktion steht demnächst in Stockholm an. Allerdings kämpft Sedelmayer nur um etwa 5 Mio. Euro – Menatep fordert jetzt 7500 Mal mehr.
Müssen Kreml-Konzerne Rosneft und Gazprom bluten? Und deren Partner?
In die Schusslinie kommen dürften auch Russlands partiell staatseigene Rohstoffkonzerne Gazprom und Rosneft, die in dem Schiedsgerichtsspruch als Nutznießer des Falles Yukos genannt werden. Rosneft hatte 2004 für 9,3 Mrd. Dollar die wesentlichen Ölaktiva von Yukos übernommen, Gazprom schluckte den Sibneft-Konzern, bei dem Yukos ebenfalls schon einen Fuß in der Tür hatte.
Tim Osborne, ein britischer Anwalt und Chef von GML, kündigte bereits an, dass auch der britische Ölmulti BP stellvertretend für den Kreml Schwierigkeiten bekommen könnte. Seit einem Mega-Deal 2011 hält BP knapp 20 Prozent bei Rosneft, dem nach der Fördermenge leistungsfähigsten Ölkonzern der Welt.
Wenn es irgendwo die Yukos-Milliarden zu holen gibt, dann im Öl- und Gasgeschäft. Möglicherweise führt das neun Jahre gereifte Urteil nun also zu einem ungleich stärkeren Effekt als die Sanktionen wegen Krim und Ostukraine: Russlands Big Business in Form der „Kreml-AG“ könnte auf internationalen Märkten eminente Existenzprobleme bekommen.
Und Wirtschaftsanwälte in aller Welt auf Jahre ebenso einträgliche wie hochkomplexe Aufträge.
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