News aus Deutsch-Absurdistan: Französisches Uralt-AKW sichert deutschen Strom
Französischer Uralt-Reaktor Fessenheim soll Blackout in Deutschland verhindern. Vertraulicher Bericht der Bundesnetzagentur zur Versorgungssicherheit mit Strom in Süddeutschland.
Die Bundesnetzagentur hat gegen die vorzeitige Stilllegung des bayerischen Kernkraftwerks Grafenrheinfeld im Mai 2015 voraussichtlich nichts einzuwenden. Die Sicherheit der Stromversorgung in Süddeutschland kann aus Sicht der wichtigsten deutschen Energiebehörde auch nach der Abschaltung des E.on-Reaktors im darauf folgenden Winter 2015/16 garantiert werden. Wie aus einem bislang vertraulichen Bericht der Bundesnetzagentur hervorgeht, ist allerdings der Weiterbetrieb des französischen Kernkraftwerks Fessenheim eine der Voraussetzungen dafür, dass es beim Abschalttermin in Grafenrheinfeld auf deutscher Seite bleiben kann.
Der Bericht der Bundesnetzagentur zur „Sicherstellung der Versorgungssicherheit mit elektrischer Energie in Süddeutschland im Winter 2015/2016“ liegt nun öffentlich vor.
In ihrer Analyse hat die Bundesnetzagentur die neuesten „Sensitivitätsberechnung“ der deutschen Stromnetzbetreiber zusammengefasst, um herauszufinden, ob im kraftwerksarmen Süddeutschland nach dem Vollzug des Atomausstiegs ein Blackout droht, also ein Stromausfall. Einer der entscheidenden Parameter bei der amtlichen Bewertung der Versorgungssicherheit findet sich auf Seite 15 des BNetzA-Berichts. Dort heißt es: „Ebenfalls wurde die Annahme nachgereicht, wonach vom Betrieb des französischen Kernkraftwerks Fessenheim im Winterhalbjahr 2015/16 auszugehen ist und die Bedarfsrechnung entsprechend angepasst.“
Die Feststellung der Bundesnetzagentur belegt, dass Deutschland das in 33 Betriebsjahre nahezu störfallfreie Atomkraftwerk Grafenrheinfeld nur deshalb abschalten kann, weil im Erdbebengebiet auf der französischen Seite des Rheins noch das älteste und schwächste Kernkraftwerk Frankreichs nahe Fessenheim (elsässisch Fàssene, in Betrieb seit 1977, 1800 MW) bereit steht, einen deutschen Blackout abzuwenden.
Fessenheim ist mit 37 Betriebsjahren das älteste französische Kernkraftwerk und gehört dem EDF (dem staatlichen Électricité de France SA). Auch EnBW (Energie Baden-Württemberg) hält 17,5% Anteile an Fessenheim und war wohl an dieser erfolgreichen Lobbyarbeit beteiligt. Die verbleibenden 15 % der Anteile hält ein Konsortium dreier schweizerischer Unternehmen; mit jeweils 5 % sind dies die Schweizer Energiekonzerne Alpiq, Axpo und BKW FMB Energie (bis 1996: BKW, Bernische Kraftwerke)
Es ist das einzige Atomkraftwerk, das Frankreichs Präsident Francois Hollande bereits in seiner ersten Amtszeit sofort abstellen wollte. Inzwischen wurde die geplante Abschaltung auf Ende 2016 verschoben. Wie der Bericht der Bundesnetzagentur jetzt nahelegt, schafft erst diese Terminverschiebung die Grundlage dafür, dass das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld wie im deutschen Atomgesetz vorgesehen bis Ende 2015 vom Netz gehen kann.
Die Umweltschutz-Organisation Greenpeace zählt Fessenheim zu den gefährlichsten Atomkraftwerken Europas. Grund dafür ist nicht nur das hohe Alter der Anlage, das nach Einschätzung von Greenpeace erhöhte Materialermüdung bedeutet. Grund dafür ist auch die Lage des Doppel-Reaktors „in einer der seismisch aktivsten Regionen Europas“, wie Greenpeace-Mitarbeiterin Susanne Neubronner auf Nachfrage sagte. Das Kernkraftwerk, das im Elsaß unterhalb des Wasserspiegels des Rheinseiten-Kanals liege, drohe im Falle eines Dammbruchs überflutet zu werden.
Da RWE, E.ON und EnBW sowie Vattenfall wenig Begeisterung für den Atomausstieg haben, lässt sich daran auch das Ausmaß ihrer Lobbyarbeit erahnen, für die die Bundesnetzagentur offensichtlich ein offenes Ohr hat.
Wie man an den Abschaltterminen sieht, geht RWE nicht vorweg sondern läuft nett ausgedrückt hinterher. Daher haben sich findige User mal ein paar passendere Varianten des RWE-Logos überlegt.
Abschalttermine
Mit dem Tag des Inkrafttretens des neuen Atomgesetzes am 6. August 2011 ist die weitere Berechtigung zum Leistungsbetrieb für die Kernkraftwerke Biblis A, Neckarwestheim 1, Biblis B, Brunsbüttel, Isar 1, Unterweser, Philippsburg 1 und Krümmel erloschen.
Für die restlichen neun noch in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke legt das Atomgesetz folgende Termine für das Laufzeitende beziehungsweise die endgültige Abschaltung fest:
- 31. Dezember 2015 Kernkraftwerk Grafenrheinfeld, E.ON
- 31. Dezember 2017 Kernkraftwerk Gundremmingen B, RWE und E.ON
- 31. Dezember 2019 Kernkraftwerk Philippsburg 2, EnBW
- 31. Dezember 2021 Kernkraftwerk Grohnde von E.ON
- 31. Dezember 2021 Kernkraftwerk Gundremmingen C, RWE und E.ON
- 31. Dezember 2021 Kernkraftwerk Brokdorf, E.ON und Vattenfall
- 31. Dezember 2022 Kernkraftwerk Isar 2, E.ON und SWM (Münchner Stadtwerke)
- 31. Dezember 2022 Kernkraftwerk Emsland, RWE und E.ON
- 31. Dezember 2022 Kernkraftwerk Neckarwestheim 2., EnBW
Alle noch in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke dürfen während ihrer Laufzeit eine individuell zugeordnete Elektrizitätsmenge produzieren.
Diskussionen
Die Kommentarfunktion ist geschlossen.